: „Eine kleine Insel des Glücks“
■ Eine neue Freizeit-Studie, präsentiert zur „hanseboot“, zeigt: Wassersport wird zum Breitensport
Der Hamburger Professor Horst Opaschowski vom BAT Freizeit-Forschungsinstitut stellte, passend zum heutigen Beginn der Bootsausstellung „hanseboot“, am Mittwoch eine Zeitvergleichstudie zum Thema Wassersport vor. Seine These: Segeln, Motorbootfahren oder Tauchen verliert seinen Luxuscharakter und wird zum Breitensport. Die taz sprach mit ihm.
taz: Wie sieht denn der Wassersportler der Zukunft aus?
Horst Opaschowski: Unter den Wassersportarten hat Surfen seinen Zenit erreicht, während Tauchen und Wasserskilauf an Attraktivität gewinnen. Außerdem werden, bedingt durch die demografische Entwicklung, die Wassersportler immer älter und können sich leisten, wovon sie früher geträumt haben: Selber segeln, ein Motorboot chartern oder gar erwerben.
Und wie entwickelt sich der Wassersport allgemein?
Er wird Breitensport. Während der Anteil der Wassersportler früher ein relativ kleiner und auch exklusiver war, hat er sich in den letzten fünf Jahren fast verdoppelt, in einigen Bereichen wie Tauchen sogar verdreifacht. Die Entwicklung geht auch – entgegen dem Trend zur Singlegesellschaft – hin zu einem geselligeren Familiensport.
Beim Wassersport spielt Geld eine große Rolle. Wer ihn betreiben will, sei es beim Segeln, Motorbootfahren oder Tauchen, muss zunächst eine Menge Geld investieren. Das widerspricht dem Ansatz eines Breitensports. Können das dann nur wenige ausüben?
Geld ist nur ein Faktor neben anderen. Es gibt eine weitere Entwicklung zum Erlebniskonsum als Ergänzung zum Versorgungskonsum. Das erklärt sich so: Zunächst ist die Verbraucherschaft in zwei Lager gespalten, wenn sie so wollen in eine Zweiklassengesellschaft von Spar- und Erlebniskonsumenten, auf der anderen Seite ist jeder einzelne Konsument in sich gespalten. Auch ein Sparkonsument will einmal etwas erleben, und auch ein Erlebniskonsument muss sparen können. Armut bedeutet ja heute nicht mehr unbedingt Existenzminimum. Für viele ist das nicht materielle, sondern psycho-soziale Armut: Das Ausgeschlossen-Sein von den Möglichkeiten der Anderen.
Heißt das, dass der Sparkonsument, der sich etwas leisten will, sich auf bestimmte Dinge konzentrieren muss?
Richtig, da werden Prioritäten gesetzt, die teilweise wider alle Vernunft sind. Das sind die kleinen Momente des Glücks. Glück ist kein Dauerzustand. Alle sind auf der Suche nach dem schöneren Leben. Es ist eine Besinnung nach innen: Was ist für mich und mein Wohlergehen eigentlich wichtig und in welcher Situation, bei welchem Konsum, fühle ich mich am besten.
Warum erfüllt das der Wassersport? Was macht ihn für die Menschen so attraktiv?
Dahinter verbirgt sich die Sehnsucht nach der Insel. Das ist das letzte Stück Utopie seit der Vertreibung aus dem Paradies. Fast alle Utopien spielen auf einer Insel. Und ob nun Surfbrett, Segelyacht oder Motorboot, psychologisch ist jedes für sich eine kleine Insel des Glücks. Wohl wissend, dass der Alltag wieder zuschlägt, wenn man an Land zurück kommt.
Hat die Geselligkeit etwas mit Kommunikation zu tun?
Ja, wobei die Kommunikation etwas Überraschendes ist, weil man immer denkt, jeder brauche den anderen. Die anderen sollen einem eigentlich nur auf die Schulter klopfen und eine Art Kulisse im Hintergrund bilden. Es ist keine intensive Kommunikation, sondern auch ein Stück Narzissmus. Das hängt auch mit dem Körpergefühl und dem sinnlichen Erleben zusammen, das der Wassersport vermittelt.
Können Sie feststellen, wie die Ergebnisse in einzelnen Bundesländern, zum Beispiel nur in Norddeutschland waren? Ergäben sich da andere Ergebnisse?
Davon kann man ausgehen. Wir stellen ja fest, dass es entgegen der öffentlichen Diskussion nicht nur einen mentalen Graben zwischen West- und Ostdeutschland gibt. Wenn man einmal eine Rechnung aufmachen und das Alltagsverhalten der Nord- und Süddeutschen vergleichen würde, dann wird man vermutlich eine genauso große Kluft feststellen.
Auf der anderen Seite gibt es auch Unterschiede zwischen den Generationen, die sich nivellieren. Sie sagen, dass der Wassersport seine Jugendfixierung verliert.
So ist es. Man hat immer gesagt, wer Wassersport ausübt, muss jung, dynamisch und rundum aktiv sein. Er lässt aber eine große Bandbreite zu, vielleicht mehr als jeder andere Sport. Sie können ja Wassersportler sein und sich dabei den ganzen Tag sonnen, ohne überhaupt etwas zu tun. Im Grunde geht es in Zukunft um Bewegungsaktivitäten mit oder ohne Wasser. Ob man das dann Sport nennt, ist eine andere Sache.
Interview: Eberhard Spohd
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