piwik no script img

KommentarArmer Mann feyndt

■ Warum ach so bürgernahe Airbus-Politik 30.000 Menschen verärgern muss

Hamburgs Wirtschaftsbehörde, wer hätte das gedacht, ist lernfähig. Sie hat eine neue Vokabel in ihren Wortschatz aufgenommen: „Desinformation“. Die selbstredend die anderen betreiben würden, die mit den Splittern in den Augen.

Von denen gibt es seit gestern rund 30.000 Menschen. Sie wohnen nördlich oder südlich des Flusses, sie leben in Hamburg oder an der niedersächsischen Unterelbe, sie sind wohlhabende Villenbesitzer in Nienstedten oder mittelständische Obstbauern in Süderelbe, sie genießen gern den Blick aus dem Jenisch-Park auf den Strom oder verdienen an den Ausflüglern, die zur Kirschblüte im Alten Land lustwandeln.

Sie könnten politisch, ökonomisch, soziologisch, weltanschaulich unterschiedlicher kaum sein, auch gegen den Airbus A3XX sind sie nicht prinzipiell. Was sie eint, sind zwei gemeinsame Interessen: Die Bewahrung ihrer wirtschaftlichen Existenz und des Freizeitwertes der Elblandschaft.

All diese Menschen gegen sich aufzubringen, ist wahrlich nicht leicht. Der Senat der Freien und Standortstadt Hamburg hat es geschafft – eine rot-grüne Regierung, die kaum eine Gelegenheit auslässt, die ach so ökologischen, sozialen und bürgernahen Motive ihres Handelns zu betonen. Das nennt sie übrigens „Information“.

„Die Herren machen das selber, daß ihnen der arme Mann feyndt wirdt“, ließ Georg Büchner vor 170 Jahren seinen Woyzeck sagen. Auch zwei zwischenzeitliche Rechtschreibreformen haben an diesem Befund inhaltlich nichts ändern können.

Sven-Michael Veit

Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen

Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen