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Auf exterritorialem Gelände

85 Botschaften residieren in Berlin. Während die neuen Nordischen Botschaften auf ihr territoriales Hoheitsrecht verzichten, stecken die meisten anderen ihr Gelände ab  ■   Von Rolf Lautenschläger

König Harald V. und Königin Sonja von Norwegen waren amused. Auch Silvia von Schweden und Margarete II., First Lady aus Dänemark, freuten sich. Und selbst der sonst so kühle Olafur Grimsson, Staatspräsident aus Island, fühlte sich euphorisch, als die „Nordischen Botschaften“ Mitte letzter Woche eröffnet wurden.

Gefeiert wurde nicht nur das kleinste und vielleicht schönste Botschaftsquartier unter den neuen Residenzen in der Stadt. Gefeiert wurde eine Premiere, besteht doch der „außergewöhnliche Charakter der Nordischen Botschaften“, wie Margarethe erkannte, in einer tiefen Symbolik: Die diplomatischen Vertretungen von Dänemark, Norwegen, Schweden, Finnland und Island „haben sich auf einem Grundstück vereint“. Den Ländern steht ein gemeinsames Empfangs- und Kanzleigebäude zur Verfügung. Dazu kommt ein Vortragssaal in der Mitte des Ensembles kleiner Gebäude, die im Halbkreis gebaut sind und von einem meterhohen Kupferzaun symbolisch umschlossen werden. Die Absage an die „strenge territoriale Hoheit“ fände sich „sonst nirgendwo auf der Welt“, wie Bernd Henningsen, Direktor des Nordeuropa-Instituts an der HU, meint. Die Nordischen Botschaften sind ein Novum.

Anders als die skandinavischen Länder richten sich die übrigen Missionen in den fünf Botschaftsvierteln der Hauptstadt zwar „traditionell“ – auf eigenem Territorium – ein. Trotzdem verändern die größtenteils neuen Bauten die bisherige Landschaft aus Botschaften und Residenzen in der Stadt: Standorte aus Zeiten der Teilung werden aufgegeben, neue entwickelt und Vorkriegsgrundstücke wieder besetzt.

Während das alte DDR-Botschaftsviertel in Pankow immer mehr verwaist und nur noch von den früheren sozialistischen Freunden aus Algerien, Kuba oder Eritrea genutzt wird, boomt das einstige Diplomatenviertel im Tiergarten. Dort, wo in den 30er-Jahren monumentale Blöcke der mit dem NS-Regime verbündeten Staaten entstanden, siedeln heute Nationen, die sich den Standort in der Hauptsache viel Geld haben kosten lassen. Gleich neben der Italienischen und Japanischen Botschaft bauen die Länder Indien, Südafrika, die Türkei und Ägypten ihre neuen Missionen, gefolgt von Portugal, Estland, Griechenland und den Vereinigten Arabischen Emiraten. Zum Mix aus Botschaften, Wohnungen und Museen des Kulturforums gesellen sich vor Ort noch Ländervertretungen sowie die Neubauten politischer Stiftungen. „Das alte Botschaftsviertel wird nicht nur rekonstruiert“, erklärte Berlins Bausenator Jürgen Klemann einmal. „Es wird Teil der Stadt“ – eine gewagte Aussage, überwiegt doch der Eindruck grüner Idylle und ruhiger Atmosphäre vor dem der Urbanität.

Von den rund 150 Staaten, die mit Missionen in Deutschland vertreten sind, haben sich bereits 85 in der Stadt niedergelassen – davon eine Vielzahl am Standort Dahlem und Grunewald, etwa Slowenien, Jugoslawien, Kuwait oder Thailand und Belgien. Die Großen der Weltpolitik allerdings residieren in Mitte, nahe dem Regierungsviertel. An den Pariser Platz kehren die Länder Frankreich und England zurück. Nur einen Steinwurf weiter – im östlichen Zentrum – liegen die Russische (ehemals Sowjetische), Tschechische und Polnische Botschaft, die allesamt modernisiert werden sollen. Die einstigen Protagonisten des Kalten Krieges haben sich im Stadtgrundriss wie vor dem Zweiten Weltkrieg im Zentrum vereint. Allein die USA haben sich noch nicht für ihren Neubau am Pariser Platz entscheiden können, weil das Land Berlin deren Sicherheitsvorkehrungen nicht akzeptiert.

Dass Ansiedlungen von Botschaften Weltpolitik auf der Ebene des Stadtgrundrisses symbolisiert, wie der Historiker Arnulf Baring befand, gilt für Berlin nur noch zum Teil. Außer den repräsentativen entscheiden immer mehr die ökonomischen Gründe über den Standort. So waren China oder Brasilien beim Kauf der neuen Grundstücke die Kosten wichtiger als die Standorte. Statt in Pankow wohnt Herr Liu Qibao nun in der Platte am Ostbahnhof – aber mit Blick auf die Spree.

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