: Die Hoffnung heißt Poo
■ ... doch der Schlumpf bleibt blau, die Schlumpfin blond – und das mediale Geschlechterbild (zumal im Kinder-TV) wenig vorbildlich
Die Hoffnung heißt möglicherweise Tinky Winky, Dipsy, Lala und Poo. Die Teletubbies könnten schuld sein, wenn es in 40 Jahren weniger sexistisch zugeht.
Denn die Teletubbies predigen nicht Gleichberechtigung, sondern leben sie einfach vor – dreimal täglich im Kinderkanal. Vor allem aber haben die Teletubbies vier Geschlechter. Natürlich sind sie eigentlich zwei Jungs (Tinky Winky und Dipsy) – und zwei Mädchen (Lala und Poo). Aber Tinky Winky mit seiner roten Lackhandtasche ist nicht einfach ein männlicher Junge wie Dipsy. Nein, Tinky Winky ist ein weiblicher Junge, so wie Poo ein männliches Mädchen ist. Und das ist für die stereotypenlastige Medienwirklichkeit eine ziemliche Revolution.
Die Frage danach, in wieweit sich die medialen Rollenklischees in den letzten 30 Jahren verändert haben, bzw. „Fernsehhelden – Vorbilder, Abbilder, Zerrbilder“ war das zentrale Thema der fünften Fachtagung des Forums Medienpädagogik der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien in München, auf der die Teletubbies allerdings nur am Rande erwähnt wurden. Wer gedacht hatte, dass Rollenklischees in postfeministischen Zeiten der Superweiber Feldbusch und Christiansen kein Thema mehr seien, wurde mit ernüchternden Fakten in die Realität zurückgeholt: Zumal im Kinderfernsehen sieht es immer noch so aus, als ob die zweite Frauenbewegung nie stattgefunden hätte.
Nur jede zehnte TV-Heldin schaffst's auch ohne Mann
Das ist ziemlich schade, denn wenn medial vermittelte Inhalte wirklich Einfluss auf ihre Rezipienten haben, dann am ehesten auf Kinder, weil diese sich ihre Identität erst basteln und für Vorbilder besonders anfällig sind.
Wie und warum Frauenforschung und Medienpädagogik ineinander übergehen, zeigte die Müncher Medienwissenschaftlerin Maya Götz in ihrem Einführungsvortrag in Sachen „Harte Kerle – Schöne Frauen“ (siehe auch Interview). Denn genau so verhält es sich immer noch mit den Geschlechterstereotypen in Film und Fernsehen, vor allem im Kinderfernsehen. Eine Stichprobe zur Anzahl der Helden und Heldinnen im fiktionalen Kinderprogramm dieses Jahres belegt die Herrschaft der Männer auch zahlenmäßig: So betrug die Anzahl der männlichen Protagonisten 65 Prozent, die Sendungen mit männlichen und weiblichen Helden machten 23 Prozent aus, und nur in 12 Prozent der Fälle gab es Heldinnen, die ohne männliche Unterstützung auskamen.
Im Non-Fiction-Bereich sieht die Situation noch erschreckender aus, besonders bei Lernprogrammen: „Es sind Männer, die Kindern die Welt erklären“, so Götz. Und zwar entweder große Brüder um die 20, also die Variante „John-Boy“, oder Vaterfiguren Mitte 40 (Wolfgang Lippert?). Außer bei den Kindernachrichten „logo“, die abwechselnd von Mann und Frau moderiert werden, bleiben Frauen im Non-Fiction-Bereich des Kinderfernsehens auf die Rolle der Ansagerin oder Vermittlerin beschränkt.
So eine Fernsehwelt kann also getrost als sexistische Männerwelt bezeichnet werden – entspricht sie doch gewiss nicht der bevölkerungstatistischen Wirklichkeit mit ihren 51 Prozent Frauen. Hinzu kommt, dass besonders in Zeichentrickserien Mädchen und Frauen oft als minderwertig dargestellt werden und ihre hervorstechende Eigenschaft vor allem darin besteht, „weiblich“ zu sein. Der Schlumpf an sich etwa ist blau und männlich. Zusätzlich zeichnet sich jedes Kerlchen durch eine Eigenschaft aus: Schlaumi Schlumpf ist schlau, und Fauli Schlumpf ist faul etc. Schlumpfin und Sassette Schlumpf hingegen sind einfach nur Frauen – einmal das Modell „erotische Blondine“ einmal das „Mädchen mit roten Haaren“.
Diese Ausblendung oder Abwertung von Frauen im Kinderfernsehen steht für die Münchner Psychologin Gitta Mühlen Achs in krassem Kontrast zur kindlichen Wirklichkeit, in der Frauen wie Mütter und Kindergärtnerinnen eine entscheidende Rolle spielen. Insgesamt brachte Mühlen Achs die Situation im Kinderfernsehen auf den Nenner „Männer handeln – und Frauen kommen vor“. Dementsprechend handelt es sich bei den medialen Frauen und Männern für Mühlen Achs auch am ehesten um „Zerrbilder“, die das klassische Geschlechterverhältnis aufrechterhalten. Dass sich daran so bald nichts ändert, läge u.a. daran, dass Neuproduktionen so viel teurer sind als Wiederholungen und sich die bisher erfolgreichsten Muster auf dem internationalen Markt besser verkaufen lassen. Zudem, so kritisierte Maya Götz, hätten weiterhin zu wenig Frauen als Produzentin oder Regisseurin Einflussmöglichkeiten, weswegen sich ein „weiblicher Blick“ (was auch immer das sein mag) schwer durchsetzen könne.
Gegen Sailermoon ist Barbie eine feministische Ikone
Als Ausnahme könnte die erfolgreiche japanische Zeichentrickserie „Sailormoon“ gelten, in der die 14-jährige Bunny mit ihren Freundinnen im Namen des Mondes für Liebe und Gerechtigkeit kämpft. Mädchen lieben diese kruden Cartoons voller Kampf und Kitsch: Endlich hat Pipi Langstrumpf Verstärkung von einer allmächtigen Heldin! Dennoch stellte Götz fest, dass das moderne Heldinnentum mit der Zeit an ein immer unerreichbareres Schönheitsideal gekoppelt wurde. Gegen Sailormoon ist Barbie eine feministische Ikone: Bunny besteht zu zwei Dritteln aus langen, schlanken Beinen, ihr Gesicht zu einem Viertel aus Kulleraugen, die blonden Zöpfe reichen bis zu den Knien – und ihre Taille spreche eindeutig für Magersucht. Auch wenn Medienrezeption nicht nach dem Reiz-Reaktion-Modell funktioniere, geht Götz davon aus, dass ein Zusammenhang zwischen diesen verschärften Schönheitsidealen und der steigenden Zahl an Essstörungen bestehen könnte. Mittlerweile leidet fast jedes zehnte Mädchen darunter. Auch hier könnten die pummeligen Teletubbies vielleicht ein besseres Vorbild sein ... Ania Mauruschat
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