Assistent Watson doktert am Erfolg

Der SCC Berlin will den deutschen Volleyball aus der Vergessenheit schmettern. Ausgerechnet der Bundestrainer will das Vorhaben morgen blocken    ■ Von Rüdiger Barth

Berlin (taz) – Wie lange ist das her, dass sich ein deutscher Volleyballer prominent fühlen durfte? Vor 15 Jahren hat Burkhard Sude in „Wetten daß?“ ganz allein ein Bezirksligateam vermöbelt; 1991 wuchtete Georg Grozer, der Haudrauf mit dem Zopf, Deutschland zum 4. Platz bei der EM. Und heute? Die Männer haben sich auf den 37. Platz der Weltrangliste verkrümelt, und Fernsehsender mögen Sprungaufschläge nur noch im Sand. Die Halle hat kein Gesicht mehr – wo kein Erfolg, da auch kein Ruhm.

„Um wieder Aufmerksamkeit zu bekommen, müssen wir sehr hart arbeiten“, sagt Stefan Hübner, der erst 24 Jahre alt ist, aber schon „Volleyballer des Jahres“, Kapitän des Bundesliga-Favoriten SCC Berlin und Stammspieler der Auswahl des Deutschen Volleyball-Verbandes (DVV). Wenn es einen gibt, der das Vakuum an guten Typen füllen kann, ist er es. Zwei Meter lang sind viele Volleyballer. Aber Hübner macht sich groß, wenn andere den Kopf einziehen. Und er hat Ausstrahlung: gelassen, ohne arrogant zu sein; engagiert, ohne verbissen zu sein. „Ein Leader“, lobt sein kanadischer Trainer Brian Watson (47). „Stefan hat einen guten Kopf“, sagt Stelian Moculescu (49), der den Rivalen und amtierenden Meister VfB Friedrichshafen betreut.

In der neuen Saison eilen beide Klubs bislang von Sieg zu Sieg. Morgen, 15 Uhr, treffen sie in der Berliner Sömmeringhalle erstmals aufeinander. Dieser Vergleich ist Spitzenspiel, gleichzeitig Leistungsschau der Branche, für das Team vom Bodensee laufen fünf, für Charlottenburg gleich sieben Nationalspieler auf. Und es ist ein Kuriosum: Moculescu ist auch Bundestrainer und Watson dort sein Assistent. Ist das nicht seltsam, über den Sommer deren Ego aufzupäppeln und dann im Winter zu hoffen, dass sie am Block scheitern? Moculescu wiegelt zunächst ab und sagt dann doch: „Ich freue mich schon, wenn die Jungs drüben die Nerven behalten.“

Reine Nervensache, dieser Sport der Rituale. Im letzten Jahr hat Berlin ein im deutschen Mannschaftssport einmaliges Modell gestartet: die Konzentration vieler Nationalspieler, den Verzicht auf Ausländer. Mit Hilfe des DVV hat man einer Fluggesellschaft 250.000 Mark abgeschwatzt, um Hübner und Marco Liefke an die Spree zu lotsen. Die Liga-Konkurrenz empörte sich über solchen „Dirigismus“. Nicht ohne Schadenfreude sah man, dass der VfB den Berlinern damals den Einzug ins Endspiel vermasselte. „Wir konnten mit dem Druck noch nicht umgehen“, sagt Watson. Das Finale muss es in diesem Jahr sein, das weiß er. Zwar sei das Projekt bis 2004 angelegt. Aber ob die Sponsoren weiter mitziehen, wenn der Klub erneut kläglich ausscheidet? „Das passiert nicht wieder“, meint Hübner. „Wir sind stärker geworden, stabiler.“ Gabriel Krüger ist zum Kader gestoßen, der 25 Stunden pro Woche unter Vollprofi-Bedingungen übt. Eine Million Mark kostet das den Verein pro Jahr. Friedrichshafen, so wird kolportiert, gibt 1,8 Millionen Mark aus.

Natürlich wird das Match auch ein Duell der Systeme. Denn Moculescu und Watson sind sich so ähnlich wie Otto Rehhagel und Berti Vogts. Der gebürtige Rumäne polarisiert, gilt aber als Siegertyp. Seit er im November 98 die DVV-Auswahl von Olaf Kortmann übernommen hat, läuft es wieder. Einfach so. „Der Mann zieht das Glück an“, sagt Hübner. Auf Mallorca gewann man die Universiade, spielte „wie im Rausch“ und übersprang auch die ersten Hürden der qualvollen Olympiaqualifikation. In drei Wochen wartet das vorletzte Turnier auf dem Weg nach Sydney 2000.

„Stelu“, wie alle den Bundestrainer nennen, ist ganz polternder Bauchmensch. Er brüllt, wenn seine Spieler kein „Power Volleyball“ spielen – Moculescu glaubt an die Macht des Herzbluts. Watson glaubt an die Macht der Statistiken. Ihm fallen zuerst Rückennummern ein, dann Namen. Das meint er nicht persönlich. Aber so versteht er den Sport, Erfolgsquoten sind die Basis seiner Taktik. Seine Feldspieler verschiebt er in Gedanken, als wären sie Schachfiguren. Nur wenn einer nicht mitzieht, wird aus dem Strategen ein Schleifer. „Er zwingt dich zu besseren Leistungen“, sagt Hübner, der sich unterordnen muss wie jeder andere. Watson mag keine Grozers, der Star ist das System. Das Team soll harmonieren wie ein Organismus, gesteuert durch sein Gehirn. Mit diesem disziplinierten „Control Volleyball“ hat Watson einst Kanada in die Weltspitze geführt.

Muss die Kluft zwischen den Trainer-Philosophien nicht das Nationalteam lähmen? „Es läuft problemlos“, widersprechen beide Coaches. „Das klappt erstaunlich gut“, urteilt auch Hübner, „wir müssen nur lernen, uns immer zu konzentrieren.“ Vielleicht hat er auch leicht reden: Der Mittelblocker ist der Idealtypus des flexiblen Spielers, der es sich nicht leicht macht. „Es gibt Phasen, da zermartere ich mich“, sagt er. Er liebe eben seinen Sport, darum wäre die Meisterschaft „so, so großartig“.

Was, wenn das nicht gelingt? „Es wird klappen“, sagt Watson, „früher oder später.“ Ob Hübner dem SCC ein weiteres Jahr treu bliebe? Italiens Profiliga lockt ihn. „Was später ist, ist mir nicht wichtig“, beteuert er. Er denke nur an morgen, nur an den VfB. Am besten die Meistertruppe weghauen. „Stelu“ würde das verkraften.