: ABM auf dem Abstellgleis
Auch diesem Jahr sollen wieder viele ABM-Stellen eingespart werden - einige Träger sehen darin eine politische Absicht ■ Von Sandra Wilsdorf
„Leere Kassen“ ist die Begründung der Stadt dafür, dass Gabriele Stern und ihre Kollegin bald arbeitslos sind, weil ihre Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen (ABM) beim Frauen-Gesundheits-Zentrum nicht verlängert werden (taz berichtete). „Falsch“, sagen verschiedene soziale Einrichtungen in Hamburg. Es liege nicht am Geld, sondern an den Prioritäten, die Sozialbehörde und Arbeitsamt setzten: „Wir haben seit langem das Gefühl, dass ABM und auch SAM (Strukturanpassungsmaßnahmen) in Hamburg zunehmend an Stellenwert verlieren“, sagt beispielsweise Gisela Beck vom Harburger Beschäftigungsträger GATE (Gesellschaft für Arbeit, Technik und Entwicklung). Für das kommende Jahr habe die Behörde mitgeteilt, „dass wir kürzen müssen“. Internen Informationen zufolge sollen im Bezirk Harburg 100 ABM- und SAM-Stellen wegfallen.
Auch in Altona stehen ABM auf dem Prüfstand: „Wir sollen in Altona 150 Stellen kürzen“, sagt Sabine Vielhaben, Geschäftsführerin der Jugendhilfe Ottensen. „Dabei wollten wir unsere Arbeit nach Lurup und Osdorf ausweiten, wo viele Jugendliche auf der Straße sitzen“.
„Ich vermute, dass die Mittel für ABM weiter zurückgefahren werden, und dass diese Gelder dem Etat für Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen zugute kommen“, sagt Gisela Beck. Dass das niemand offen ausspricht, ärgert sie. „Die fehlende Transparenz ist das Schlimmste“. Die Stadt Hamburg hat 1999 etwa 74 Millionen Mark für ABM ausgegeben und 233 Millionen für Fort- und Weiterbildung. Nach Informationen der taz soll geplant sein, im kommenden Jahr nur 60 Millionen für ABM, dafür 236 Millionen für Fort- und Weiterbildung auszugeben.
Hans-Otto Bröker, Leiter der Berufsberatung beim Hamburger Arbeitsamt, sagt: „Wir diskutieren über eine leichte Verschiebung der Mittel“. Grund dafür sind die höheren Erfolgsquoten von Fortbildung und Umschulung: „Die Integration in den Arbeitsmarkt ist wesentlich höher“. Trotzdem werde ABM beschäftigungspolitisch wichtig bleiben. Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen seien aber flexibler und marktgerechter: „Wir können damit in Monaten ausbilden, was der Markt braucht“, sagt Bröker.
Das bestätigt auch Petra Bäurle, Sprecherin der Behörde für Arbeit, Gesundheit und Soziales : „Es gibt Instrumente, mit denen wir größere Marktnähe als mit ABM erreichen“. Von einem Abgesang auf ABM will sie jedoch nichts wissen: „Das Ziel ist die Qualifizierung in Zusammenarbeit mit dem ersten Arbeitsmarkt, da hat auch ABM seinen Platz.“
Gisela Beck sieht die Gefahr, sich zu stark an Erfolgsquoten zu orientieren: „Es gibt viele Menschen, die an solchen Fort- und Weiterbildungs-Maßnahmen nicht teilnehmen können, denn die setzen oft große Vorbildung voraus. Klar bekomme ich Akademiker schneller auf den Arbeitsmarkt“. Wird ABM weiter reduziert, befürchtet sie, „dass eine Gruppe von Menschen dauerhaft vom Arbeitsmarkt ausgeschlossen wird.“
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