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Zündschloss fährt durch Frankfurt

■ Schlüssel an Schlüsselbund, Schlüsselbund an Zündschloss:

Gut, die Schlüsselgeschichte. Die geht so.

Man hat mal wieder was zu tun, weil man nichts Gescheites zu tun hat. D. h.: Man macht was, da man sonst gar nichts mehr macht. Man „rafft sich auf“, spricht der Mittelfranke zwecks Abwehr nostalgisch gefärbter, diesiger Gefühle, und exekutiert eine kleine Reise nach Gemünden-Langenprozelten.

Man gedenkt, die verflossene Angebetete beim Schauspiel des Theaters Spessartgrotte zu beobachten. Zu beobachten? Nein. Zu genießen? Hm. Still innerlich und inniglich zu feiern? Zu feiern? Zu bewundern. Schon eher. Anzuhimmeln? Wahrscheinlich. Hilflos heimlich anzuhimmeln. Der Mensch ist ein Tier, dem Trägheit zu Gesichte steht. Er soll nicht vergessen. Er soll traurig sein, gelegentlich, wenn's not tut ein paar Monate oder Jahre sich verzehren.

Nicht das Steuer kontrollieren aber darf der Mensch mit Bier im Bauch. Deshalb braucht er Krautauch, den Gebenedeiten unter den Arbeitskräften, welche finden Brot und Lohn durch den Schaden der handwerklich talentlosen Allgemeinheit, der automobilbewegenden.

Manic Mechanic Krautauch begleitet mich. Ich lenke hin, er kurvt retour, lautet die Abmachung. Das Stück, o weh, Ein großer Schrei der Liebe beginnt, einwandfreier High-quality-Boulevard. Überhaupt werden das Bauerntheater, der Schwank, die Komödie fälschlicherweise geringgeschätzt. Da gewahrt der Glückliche abseits der Subventionstempel und ihrer Regieschranzen und Sinnschurken zuweilen gewaltige, lösende Kunst.

Freilich. Und je länger die artistischen Verwicklungen, die Action, die Torheiten dauern, desto runder und rauschhafter rinnt das Bier herein. Oh, fffft, schmönggg. Tadelnd zwar streift Krautauchs milder Blick den Bierer, allein, er interveniert nicht, und nun müssen wir heim, die Straßen schließen.

Ich polstere mich, Krautauch erobert die stolzen Spessarthügel. Eine Tankstellennachschubflasche bereitet der vergnüglichen Laune das Bett.

An der Frankfurter Frankenallee erwache ich, springe aus dem Wagen, danke, und Krautauch dieselt davon. War was?

Aha, Schlüssel. Schlüssel hängt, fällt unserem Traumbierkopf ein, an Schlüsselbund, Schlüsselbund an Zündschloss. Zündschloss fährt durch Frankfurt. Fahrer klug, merkt's, kehrt um, denkt man. Man denkt, es regnet. Man wartet gewissermaßen. Man beschließt zehn Minuten später: „Krautauch sicher zu Hause. Den ruf' ich an! Kein Deal, das.“

Wir wählen in der Zelle vis-à-vis eine Nummer, die nicht existiert. Krautauch besitzt gar kein Telefon. Powerschellen. Nachbar öffnet. Gibt mir Bier. Ich, nicht dumm, bestelle Taxi, Ziel: Werkstatt Krautauch.

Garage leer. Dito Geldbeutel, erkennen wir, jetzt, scharf hineinlinsend. Zum Automat. Der gesperrt. Taxi harrt. Weiter. Dreimal, viermal: „Eine Auszahlung ist zur Zeit nicht möglich.“

Chauffeur: erste Anzeichen von Nervosität. Ich: „Kann nicht sein! Kann – ü-ber-haupt – nicht sein! Ich bin steinreich! Ich bin taz-Autor! Bitte zur Bethmannbank!“ Auto rollt, Taxometer rennt. Bethmannbank? Ein Desaster der Verweigerung. „Auf, guter Mann“, ermuntere ich meinen neuen Freund, „wir probieren es beim Krautauch daheim.“ Krautauch und daheim? Haha.

Das Zeitkonto hat eine knappe Stunde Sightseeing akkumuliert, Saldo: 107,80 Mark. „Zeit ist Geld“, pruste ich, Herr Taxi knurrt. Was plagt ihn denn? Ich entscheide, die Nacht im Benz zu verbringen, als mir während der Überschlagsrechnung der geniale Gedanke zufällt, es c/o Fischers Gerd und WG zu probieren. „Los, Sandweg! Die ham Geld!“

Taxidriver gibt Gas. Wir halten vor Nummer zwölf. Zwischensumme: 118 undeppes. Regen kracht aufs Dach. „Moment“, lalle ich, „ich muss nur in den sechsten Stock, hole die Kohle, und dann...“ – „Nein!“ – „Wieso?“ – „Sie wollen abhauen, Sie wollen sich aus dem Staub ...“ – „Bei dem Wetter?“, erwidere ich und steige aus.

„Ich warne Sie!“, höre ich noch, und der Fischerfriend ist da und offeriert mir Obdach und den letzten Wohngemeinschaftshunderter, und Robert de Niro, drunten, greift ihn stumm, und derweil ich anhebe darzulegen, den Rest halt zu überweisen, fährt das Fenster hoch und mein Regenschutz wortlos weg.

So geschehen war die Schlüsselgeschichte eher schlecht, fad – ins Leere gelaufen. De Niro hätte mich auch abknallen können.

Er guckt zum Glück kaum Kino. Und wenn: Komödie. Jürgen Roth

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