: Demos: Bonn als Vorbild für Berlin
■ SPD-Innenpolitiker Penner kritisiert Vorstoß des Innensenators zur Einschränkung des Demonstrationsrechts im Regierungsviertel
Jetzt haben es die Bonner endlich erkannt: Berlin ist die wahre Provinz. So jedenfalls hat Willfried Penner, Vorsitzender des Bundestags-Innenausschusses, am Wochenende den Unmut der Hauptstädter über die neue Demonstrationslust bewertet, die sich seit dem Regierungsumzug im Stadtzentrum breit gemacht hat. Dass Innensenator Eckart Werthebach (CDU) sogar per Bundesratsinitiative das Grundrecht aufs Demonstrieren einschränken will, erzürnt den SPD-Politiker: „Das Recht hat einen vom Verfassungsgericht eigens bestätigten hohen Rang und sollte nicht durch die Exekutive in das Gegenteil verkehrt werden.“
Die Last des Hauptstadtlebens, glaubt Penner, hätten die Bonner weit souveräner ertragen als die nörgelnden Berliner: „Die Provinzstadt Bonn mit ihren engen Straßen hat weitaus häufiger mit größeren Demonstrationen gelebt und wäre niemals auf das Ansinnen gekommen, diese Protestzüge zu kanalisieren.“
Insbesondere in der Zeit der Nachrüstungsdebatten habe es Demonstrationen mit weit mehr als 100.000 Teilnehmern gegeben. „Seit Berlin Regierungssitz ist, hat die Stadt so etwas noch nicht erlebt. Der Umgang damit ist ein Prüfstein, wie Berlin mit seiner neuen Rolle zurechtkommt“, fügte der SPD-Politiker hinzu.
Der Vergleich mit anderen europäischen Hauptstädten dagegen ist für Penner kein Argument. Die Pariser Behörden, die den Demonstranten kurzerhand ihre Route vorschreiben, sind für den Innenpolitiker kein Vorbild. „Wenn es sich um Demonstrationen mit politischem Inhalt handelt, ist die Nähe zu den politischen Institutionen wie Bundestag und Ministerien wichtig. Das liegt im Wesen von politischen Protestzügen“, erklärte er.
Zugleich kritisierte Penner die Bereitschaft der Berliner SPD, in möglichen Koalitionsgesprächen mit der CDU Innensenator Werthebach freie Hand für einen Prüfauftrag zu erteilen. Der Innenexperte der SPD-Abgeordnetenhausfraktion, Hans-Georg Lorenz, hatte Zustimmung zu Werthebachs Vorhaben signalisiert. Mit dieser Position ist er in der Landespartei allerdings isoliert. taz, ADN
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