: Wieder Bomben auf Flüchtlinge
■ Erneut haben russische Flugzeuge tschetschenischen Flüchtlingstreck bombardiert. Auch die Hauptstadt Grosny wurde gestern ununterbrochen aus der Luft angegriffen
Grosny (AFP/rtr/taz) – Einen Tag nach dem verheerenden russischen Luftangriff auf einen Flüchtlingskonvoi in Tschetschenien hat die russische Armee erneut einen Flüchtlingstreck unter Beschuss genommen und dabei 20 Menschen getötet. Das Präsidialamt in Grosny teilte am Sonntag mit, ein Konvoi von fünf Fahrzeugen sei am Samstagabend etwa zehn Kilometer nordöstlich von Grosny mit Artillerie beschossen worden. Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz hatte bestätigt, dass russische Flugzeuge am Vortag einen Flüchtlingskonvoi bei Schami-Jurt attackierten. Dabei seien mindestens 25 Zivilisten getötet worden, darunter zwei Rotkreuzmitarbeiter. Laut tschetschenischen Angaben wurden bei dem Angriff 50 Menschen getötet.
Augenzeugen berichteten, russische Kampfflugzeuge hätten am Sonntag schwere Angriffe auf Grosny geflogen. Die russische Nachrichtenagentur Interfax meldete, seit 10 Uhr würden ununterbrochen Bomben abgeworfen. Ständig seien mehrere Kampfflugzeuge am Himmel zu sehen. In der Umgebung des Präsidentenpalastes und des Bahnhofs seien Explosionen zu hören gewesen. Eine unabhängige Bestätigung der Meldung lag nicht vor. Nach nächtlichen Attacken standen am Sonntag Teile von Grosny in Flammen. Laut tschetschenischen Angaben griffen Kampfbomber auch die Stadt Schirski südlich von Grosny an, wobei sieben Menschen getötet wurden. Russlands Verteidigungsminister Igor Sergejew sagte im Fernsehen, die Operationen würden so lange fortgesetzt, bis alle „Banditen und Terroristen“ liquidiert seien.
Tschetscheniens Ministerpräsident Maschadow rief die Kaukasusrepubliken auf, die von ihrem Staatsgebiet aus geführten russischen Angriffe nicht länger zu dulden. In einem Brief an die „Brudervölker des Kaukasus“ warnte er, der Krieg werde zur Destabilisierung der gesamten Region führen. Präsidialamts-Chef Batalow warnte vor einer möglichen Strategieänderung der tschetschenischen Kämpfer. Es sei denkbar, dass die Muslimkämpfer Racheaktionen im russischen Hinterland verübten.
Aus den Reihen der deutschen Regierung wurde erstmals die Forderung nach Wirtschaftssanktionen laut. Entwicklungshilfeministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) sprach sich am Samstag für einen Stopp der Finanzhilfen aus. Eine EU-Delegation unter Leitung der finnischen Außenministerin reiste am Samstag nach Inguschetien und versprach den Flüchtlingen Hilfe. Sie verlangte die Einrichtung von Korridoren, damit die Flüchtlinge nach Inguschetien gelangen könnten.
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