: Traum aller Schöngeister
■ Viel zu bescheiden, um schwermütig und pathetisch zu sein: Die amerikanische Band Low spielt Mormonen-Rock im Knaack-Club
Sex, Drugs & Rock 'n' Roll? Nicht mit Low. Diese Band besteht aus drei bekennenden Mormonen. Kein Bier auf der Bühne, keine Drogen, keine Zigaretten: Durch nichts darf die reine Spiritualität, die allein von innen kommen soll, getrübt werden. Low sind ein Trio, ein verheiratetes Pärchen und ein Freund am Bass. Das mag alles ziemlich langweilig klingen, doch ein derart seltsames Anti-Rock-Ding hat seine eigenen Qualitäten.
Low sind so unscheinbar, so total frei von allen Rock-'n'-Roll-Klischees, dass bloß die Musik übrig bleibt, um überhaupt irgendetwas Aufregendes über diese Band berichten zu können. Nur die Musik zählt, ist das nicht der Traum aller Schöngeister? Und sich mit dieser zu beschäftigen lohnt sich. Man bekommt beim Hören das Gefühl, sich in einer Zeitfalte zu befinden. Ein wenig säuselnder Männergesang, ein weltabgewandter Brummelbass, gelegentlich eine Frauenstimme. Dann versuchen eine Violine, ein einsamer Schlag auf das Becken und eine unaufdringliche Akustikgitarre mühsam, dem totalen Stillstand zu entkommen. Die trägen Instrumente treffen aufeinander, plaudern ein wenig und entfernen sich langsam wieder voneinander.
Sonst passiert nichts. Keine Mätzchen, keine unnötigen Effekte. Stattdessen totale Kontemplation. Natürlich schlägt die ewig getragene Grundstimmung dieser Musik auf das Gemüt, doch schwermütig ist sie nicht. Das wäre schon wieder zu viel Pathos, und für so etwas sind Low einfach zu bescheiden.
Sie selbst leben ein einfaches Leben, irgendwo da draußen, weit weg im kargen Minnesota, und genau so soll auch ihre Musik klingen. Low sind aber alles andere als irgendeine Neofolk-Band für Ex-Hippies. Dafür bauen sie viel zu sperrige Spannungsbögen, fordern Konzentration und entwickeln mit ihrem total abgespecktem Rock einen sehr morbiden Charme. Low sind eigentlich eine Space-Rock-Band, die jedoch jedes Gefühl für Raum und Zeit verloren hat. So ist es auch nicht verwunderlich, dass sie bereits auf dem renommierten Space-Label Kranky ein paar Platten veröffentlicht haben. Und ihre letzte ließen sie gar von Steve Albini produzieren, der eigentlich dafür bekannt ist, gute Rockmusik so richtig rocken zu lassen. Man könnte Low aber auch eine Postrock-Band nennen.
Doch da würden sie wahrscheinlich wieder abwinken. Nicht weil sie damit nicht einverstanden wären, sondern weil sie einfach zu bescheiden sind: Rockband, das reicht. Andreas Hartmann ‚/B‘Ab 21 Uhr im Knaack-Club, Greifswalder Straße 221
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