: Antrag um die Ohren gehauen
■ FDP-Parteitag: Thesen des Vorstandes wurden vom Parteivolk in der Luft zerrissen. Thema Wolfgang Joop wurde gemieden
Der Hoffnungsträger hatte Durchfall. FDP-Generalsekretär Guido Westerwelle lag mit einer Darmgrippe im Bett, konnte am Montagabend nicht zum Landesparteitag nach Wilhelmsburg kommen und schickte das an Landeschef Kurt Hansen adressierte Absageschreiben an „Herrn Helmut Jansen“. Wenn ein Parteitag so ungüns-tig anfängt, kann er auch nicht gut enden. So wurde dem Landesvorstand anschließend der eigene Leitantrag um die Ohren gehauen. Die Thesen zur Wirtschaftspolitik, die federführend von Hansen formuliert waren, wurden vom Parteivolk mit Attributen wie „unausgegoren“, „oberflächlich“ oder gar „Chaos-Antrag“ zerrissen.
„Zur Sache Hamburg“ hatten sich die FDPler zum Parteitagsmotto erkoren, ein Slogan, den Hansen dauernd wiederholte – nur keine Personaldebatte, die die Liberalen in den vergangenen Monaten ausführlich ausgefochten hatten, aufleben lassen. Der Name Joop wurde von Hansen strikt vermieden.
Stattdessen konzentrierte er sich darauf, den Delegierten den Vorstands-Antrag schmackhaft zu machen, gemäß seinem Wort: „Ohne die FDP sähe unsere Welt völlig anders, nämlich unangenehmer aus.“ Um die Welt aus FDP-Sicht noch angenehmer zu machen, verlangte er ein Herunterfahren der Staatsquote, Privatisierung aller städtischen Tochtergesellschaften, die Rechte der Personalräte in diesen Gesellschaften zu reduzieren und „das Kartell der Wohlfahrtsfunktionäre in dieser Stadt“ zu brechen. Hansen nannte 16 Punkte, die er zum Kern des Antrags zählte – die aber teilweise gar nicht in dem schriftlichen Antrag auftauchten.
Nicht nur das stieß den Delegierten in der Aussprache sauer auf. Das klang dann so: „Höchstens gut gemeint“, „mit der heißen Nadel gestrickt“, „wie ein Versandhauskatalog“, „kein einziges konkretes Ziel“. Höchstes Kompliment für den Leitantrag: „Geht in die richtige Richtung.“ Damit war das Schicksal des Papieres besiegelt: Der frühere Parteivize Martin Kirchner forderte, den Antrag noch einmal zu überarbeiten. Der Parteitag folgte dem gegen die Stimmen des Vorstandes mit deutlicher Mehrheit. Eine Demontage für Hansen und sein Team.
Kommentar eines Delegierten: „Ist doch alles Scheiße hier.“
Peter Ahrens
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