Engel im Dampfbad

■ Ein letzter Dank dem Leichtathleten: Zum Tod des Schriftstellers Detlev Meyer

Ganz schön hochtrabend: „Biographie der Bestürzung 1. Band“. Der Untertitel ist jedoch genauso ironisch wie der Roman „Im Dampfbad greift nach mir ein Engel“ selbst: ein Plaudern über die für manche ganz nebensächlichen Dinge des (schwulen) Lebens. Ob es um nächtliche Krisen geht, das Cruisen oder den Dreitagebart: ganz egal, worüber der 1950 geborene Berliner Autor und Journalist Detlev Meyer schrieb, seine Literatur ist immer auch eine einzige (Selbst-) Inszenierung: Der Dandy lebt, die Tragödie ist tot. Was zählt, ist das Schweben zwischen Ernst und Ironie, zwischen Pose und Pathos.

Als Detlev Meyers 1985 „Im Dampfbad greift nach mir ein Engel“ erschien, jubelte das große Feuilleton von Zeit bis Neue Zürcher Zeitung, sprach von einer „Heiterkeitsdroge“, von einem „Glücksfall“. Richtig: Seine erste Prosaveröffentlichung nach dem 1981 erschienenen Lyrikband „Heute Nacht im Dschungel“ unterschied sich maßgeblich von der Meterware schwuler Betroffenheitsprosa. Es gab keine komplizierten Mutterbindungen, keine homophoben Vermieter und auch keine schwermütigen Gesellschaftsanalysen. Diese Prosa lieferte einfach Randbemerkungen zum schwulen Alltag irgendwo zwischen New York und Castrop-Rauxel.

Detlev Meyers Literatur ist in gewisser Weise ein Gegenstück zu den Comics von Ralf König. Nicht zufällig haben sie 1990 mit „Heiße Herzen“ ein erfolgreiches Gemeinschaftswerk vorgelegt. Beide erzählen selbstironisch aus dem ganz normalen schwulen Leben. Und das Ergebnis ist bei beiden alles andere als Ghettoliteratur: Die Knollennasen von König und die lässigen Reime und Pointen Meyers sind bei Schwulen und Heteros gleichermaßen konsensfähig.

Neben Erzählungen und Romanen hat Meyer vier Lyrikbände veröffentlicht. In „Stern in Sicht“ (1998), dem letzten Band, der sich in der Form an seinen Vorbildern Rilke, George und Lasker-Schüler nähert, beschreibt er ohne Pathos und Larmoyanz das Leben in den Zeiten von Aids. Neu war das Thema in seinem Oeuvre keineswegs. Mit „Ein letzter Dank den Leichtathleten“ war Meyer 1989 ein furioser Abschluss seiner Trilogie „Biographie der Bestürzung“ gelungen. Sein leicht schwebender Humor war allerdings zunehmend schwarz und sarkastisch geworden, seine Auseinandersetzung mit der Aids-Krise – und der eigenen Erkrankung – entlarvend und unnachgiebig. Der Roman war die erste größere deutschsprachige literarische Veröffentlichung, die sich mit Aids auseinandersetzte.

Als „Aids-Literat“ oder „Schwulendichter“ wollte Meyer allerdings nicht in die Literaturgeschichte eingehen, und darauf darf man ihn auch nicht beschränken. Es bleibt ein vielschichtiges Gesamtwerk, es bleibt ein gerade erst abgeschlossener neuer Roman „Das Sonnenkind“. Und es bleibt die Erinnerung an einen überaus liebenswerten Autoren. Detlev Meyer ist am vergangenen Samstag in Berlin verstorben. Axel Schock