Sozialist mit liberalem Antlitz

■ Die Arbeitgeber lobten ihn, die Arbeitnehmer vertrauten ihm: Dominique Strauss-Kahn versöhnte die Franzosen in der Neuen Mitte

Ich bin der Gatte von Anne Sinclair“, kokettiert der scheidende Superminister gelegentlich gern

Ich bin der Gatte von Anne Sinclair“, kokettiert der scheidende französische Superminister Dominique Strauss-Kahn gelegentlich. Anne Sinclair? Das ist eine der prominentesten französischen Fernsehjournalistinnen, die ihre Sonntagabend-Talkshow mit Spitzenpolitikern im Sommer 1997 aufgab, um nicht in Interessenskonflikte zu geraten, als ihr Gatte Minister wurde, und die ihn am Montag zu seinem vorerst letzten Gespräch zum Premierminister Lionel Jospin begleitet hatte.

Tatsächlich ist Dominique Strauss-Kahn mehr als ein Gatte. Bis Juni 1997 war der Sozialist, abgesehen von früheren Regierungsbeteiligungen, ein erfolgreicher Anwalt sowie Wirtschaftsprofessor an einer Pariser Universität, durch dessen Vorlesungen Dutzende von späteren Managern sowie werdenden politischen Spitzenfiguren gegangen sind. Seit Amtsantritt der rot-rosa-grünen Regierung, in der er das größte Ressort hatte, ist er einer der mächtigsten Männer in Paris.

Mehr als jedes andere Regierungsmitglied steht der heute 50-Jährige für den Erfolg der Regierung Jospin. Er lieferte die Zahlen, die beweisen sollten, dass eine Regierung sozialpolitische Interessen und traditionelle sozialistische Politikziele in den Vordergrund stellen und zugleich Frankreich wirtschaftsliberal neu durchorganisieren kann. Strauss-Kahn privatisierte so viele Staatsunternehmen, wie kein anderer französischer Wirtschaftsminister vor ihm. Und er sorgte dafür, dass die in den Maastrichter Verträgen festgelegten engen Budgetgrenzen eingehalten werden.

Zugleich versuchte Strauss-Kahn weitere sozialpolitische Tabus zu brechen: Immer wieder lancierte er die Debatte über die Steuersenkung für Aktien als Lohnbestandteile für Spitzenangestellte. Immer wieder brachte er die Privatisierung oder Teilprivatisierung der Rentenversicherung ins Gespräch. Und mehrfach verbrannte er sich daran, eine Senkung der Einkommenssteuer zu verlangen.

Strauss-Kahn, der enge Beziehungen zu allen Branchen der französischen Industrie und zu internationalen Banken pflegt, bekam von der politischen Rechten viel Beifall. Unter anderem lobten ihn französische Arbeitgeber als modernen Pragmatiker, der dabei nicht zum Konservativen geworden ist.“ Bei den internationalen Medien ist er beliebt wegen seiner gewandten Umgangsformen und seiner fließenden Deutsch- und Englischkenntnisse.

In der französischen Linken, speziell bei den Gewerkschaften, ist der Wirtschaftsliberale umstrittener. Doch auch dort hat seine Politik niemals ähnlich heftige Reaktionen ausgelöst wie die einiger seiner Amtsvorgänger. Streiks gegen die zuvor unvorstellbaren Privatisierungen gab es unter Strauss-Kahn nicht.

Ein Grund für seine Beliebtheit ist, dass er nicht einfach nur die Finanzen kontrolliert hat. So trieb er politische Projekte wie die „emplois jeunes“ voran, die 200.000 staatlich finanzierte ABM-Stellen für arbeitslose Jugendliche gebracht haben. Sein Charisma, das ihn von allen Amtsvorgängern unterscheidet, hat Dominique Strauss-Kahn gestern noch eine Kleinigkeit hinzugefügt: „Ich werde mich für die Werte der Linken schlagen.“

Der da ging, war kein Unterlegener, sondern ein Gewinner, der seine Rückkehr ankündigt.