: Mann mit den tausend Armen“
Glasgow scheitert an Pfosten, Latte und einem krakenhaften Oliver Kahn. So mogeln sich die Bayern mit 1:0 in Runde 2 der Champions League ■ Aus München Thomas Becker
Fast wäre es doch noch zur Kollekte gekommen. München sammelt für Uli Hoeneß: eine Sauna-Zehner-Karte für den Manager von Bayern München. Nicht, dass sich der Finanzjongleur des FCB selbst das Gehalt beschnitten hätte. Vielmehr hat er geklagt, vor lauter Fußball keine Zeit mehr zu finden, um mal in aller Ruhe in der Sauna zu brüten oder länger als drei Stunden am Schreibtisch zu sitzen. „Ich kenne ja mein Büro gar nicht mehr.“ Nach seiner Frau haben wir erst gar nicht gefragt.
Quer durch Europa muss der arme Mann ständig hetzen: ins regnerische Valencia, ins trostlose Kaiserslautern, gar ins ungastliche Eindhoven, ständig zwischen Hoffen und Bangen, 90 Minuten lang, manchmal auch ein bisschen länger. Gegen die Glasgow Rangers waren es mal wieder fast 95 Minuten – wohl die aufreibendsten für Bayern-Fans seit dem ebenfalls sehr langen Spiel in Barcelona, damals vor 161 Tagen.
1:0 gewannen die Münchner nach einem glücklich verwandelten Foulelfmeter von Thomas Strunz ihr letztes Vorrundenspiel der Champions League und qualifizierten sich somit für die nächste Runde im Cup der Großverdiener. Uli Hoeneß wird also weiterhin vornehmlich auf den Reservebänken zwischen Trondheim und Kiew schwitzen statt in der geliebten Sauna.
Schuld tragen die misslichen Schützen im Trikot der Glasgow Rangers. Dreimal setzten sie den Ball mit viel Schwung gegen Pfosten und Latte des Bayern-Tores, gut ein halbes Dutzend Mal stellte sich der genesene Oliver Kahn, „der Mann mit den 1.000 Armen“ (Mehmet Scholl), in die Schussbahn, und als selbst der geschlagen war, rettete der ansonsten recht konfuse Thomas Linke auf der Linie. Im Verbund mit Kollege Babbel ließ sich Linke in schöner Regelmäßigkeit von Rodney Wallace, Jonatan Johansson und Michael Mols düpieren.
Doch dann kam Oli Kahn. Bei einem Ausflug weit außerhalb seines Reviers geriet der Torwart mit Michael Mols, dem bislang erfolgreichsten Stürmer der Rangers (13 Tore), in Körperkontakt, was damit endete, dass die Schotten Einwurf bekamen und Mols das Stadion auf Krücken verließ: Verdacht auf Bänderriss. Ähnlich entschlossen wie ihr Torhüter waren die Bayern nur in den ersten sechs Minuten an die Arbeit gegangen. 3:0 hätte es da stehen können, doch Elber und Santa Cruz scheiterten an sich und Stefan Klos.
Ein bitterer Abend für den ehemaligen Nationalkeeper 1c: Sein letztes Spiel im Münchner Olympiastadion hatte er mit Borussia Dortmund vor zwei Jahren noch gewonnen und zugleich die Champions League. Gegen den FCB ließ Klos die in den letzten Minuten frei vor ihm auftauchenden Bayern-Stürmer schlecht aussehen, und auch den stramm, aber unplatziert geschossenen Elfmeter, laut Glasgows Coach Dick Advocaat ein Geschenk“, hätte er fast pariert. Thomas Strunz, der Überraschungsschütze, hatte sich angeblich zuvor mit Effenberg abgesprochen. Klos meinte nur: „Ich hab den Stefan hinterher gefragt, warum er nicht geschossen hat. Er meinte, der Strunz hätte ihn schon drei Wochen lang genervt.“
Lothar Matthäus, der früher bei Bayern die Elfer schoss, meinte nur: „Bei Elfmetern mische ich mich sowieso nicht mehr ein.“ Dafür aber sonst überall: Mit der in letzter Zeit oft zu sehenden Zornesfalte auf der Stirn griff sich Matthäus nach dem Duschen den tm3-Moderator und beschwerte sich bitterlich, dass in der Zusammenfassung des Spiels so wenig Bayern-Chancen und so viel Glasgow-Chancen gezeigt wurden. Angesprochen auf die Rempeleien in der Nachspielzeit, die mit einer Gelben Karte für den Libero endeten, bekannte er fast stolz auf seine Cleverness, dass er das peinliche Kindergarten-Geschubse „bewusst provoziert“ habe, um Glasgow aus dem Rhythmus zu bringen. Nicht erst ab der 90. Minute war ihm bange um sein Team, „heute mussten wir das ganze Spiel über Angst haben“, so Matthäus.
Einmütig fiel das Lob für den Gegner aus. „Wahnssinnsspiel heute, ein echtes Endspiel“, meinte Oli Kahn, der nach dem Abpfiffzuerst knieend und dann auf dem Rücken liegend jubelte. Ottmar Hitzfeld hatte beim Gegner „viel Substanz“ entdeckt, Uli Hoeneß bescheinigte Glasgow ein „sensationelles Spiel“. Klar, wer gegen die Super-Bayern fast ein Tor schießt, muss ja mindestens sensationell spielen.
Vor dem Spiel hatten es noch geklungen (Hoeneß: „Wenn wir die nicht schlagen...“), als ginge es gegen irgendeinen Bezirksligisten und nicht gegen eine technisch starke Europa-Auswahl, bei der gerade noch ein Quoten-Schotte mitspielen darf. Egal, vorbei, abhaken. Am Freitag wird der nächste Gegner ausgelost, am Samstag geht's nach Ulm. Kaum länger als eine Stunde wird Hoeneß mit dem Auto bis in seine Heimatstadt brauchen. Da ist doch noch Zeit für zwei, drei Saunagänge.
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