: Nutzen statt besitzen
■ Reparieren statt wegwerfen: Ökokaufhäuser wollen den Lebensstil des neuen Jahrtausends prägen. In zwanzig deutschen Städten gibt es bereits Initiativen
Schluss mit langwierigen Einkaufsfahrten, Schluss auch mit den Wanderungen von einem Laden zum nächsten. Künftig soll es auch für ökobewusste Kunden alles in einem Hause geben: Lebensmittel und Haushaltswaren, Kleidung und langlebige Konsumgüter, Möbel und Baustoffe jeweils in Ökoqualität.
Ein Jahr nach der Eröffnung des ersten Ökokaufhauses der Republik, der Rommelmühle in Bietigheim-Bissingen bei Stuttgart, gibt es in 20 Städten bereits Ökokaufhaus-Initiativen. Die Geschichte dieser alternativen Konsumtempel begann 1995 bei Hertie in Mannheim. Nachdem der Warenhauskonzern bereits seit Jahren mit dem Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) kooperierte, hoffte der Betriebsrat von Hertie Mannheim, die Schließung der Filiale durch einen Umbau zum Ökokaufhaus verhindern zu können. Das Konzept wurde zwar von der Geschäftsleitung nicht angenommen, es gab der Ökokaufhaus-Idee dennoch einen kräftigen Schub. In Bochum und Braunschweig starteten bald Initiativen für ökologische Kaufhäuser. Obwohl diese nicht unmittelbar zum Erfolg führten, gründeten sich bundesweit immer mehr Initiativen, ob in Köln oder Hamburg, in Wiesbaden oder Freiburg, im Odenwald oder im Wendland. Mit der Rommelmühle wurde dann 1998 das erste Projekt verwirklicht.
Beflügelt werden die Initiativen durch die Marktentwicklung, die diese Branche attraktiv macht. Denn während der klassische Einzelhandel seit den vereinigungsbedingten Boomjahren 1990 und 1991 stagniert, verzeichnen Ökoprodukte einen jährlichen Zuwachs von sieben bis acht Prozent. Dass das Potential in Deutschland noch erheblich ist, zeigt ein internationaler Vergleich: Während in Österreich der biologisch korrekte Anbau von Nahrungsmitteln bereits einen Anteil von etwa zehn Prozent erreicht hat, werden in Deutschland lediglich zwei Prozent der gesamte Ackerflächen kologisch bewirtschaftet.
Aber unter das Attribut „ökologisch“ fällt natürlich bei weitem nicht nur der Verzicht auf Gifte beim Landbau. Und so werden die Ökokaufhäuser neben Lebensmitteln auch andere Produkte anbieten, die ökologisch sinnvoll sind. Bei Investitionsgütern wie etwa Hausgeräten sind Haltbarkeit und Reparaturfreundlichkeit wichtige Kriterien. Und da am ökologischsten immer das ist, was gar nicht erst produziert wird, lautet eine Devise der neuartigen Kaufhäuser: Was man selten braucht, kann man sich besser ausleihen als kaufen.
So könnte dies der Lebensstil des neuen Jahrtausends werden: Nutzen statt besitzen. Car-Sharing-Unternehmen waren die ersten, die den Spagat zwischen dem Verzicht auf Eigentum und der gleichzeitigen ständigen Verfügbarkeit eines Produktes schafften. Ökokaufhäuser wollen dieses Prinzip weiterführen: Ob Bohrmaschine, Videorekorder, Rasenmäher oder Diaprojektor – viele Menschen brauchen diese Dinge nur selten und sind daher mit einem Verleihservice bestens bedient.
Somit sollen die Ökokaufhäuser keine überdimensionierten Müsli-Läden werden, sondern Kaufhäuser mit buntem Angebot – nicht zuletzt auch an Dienstleistungen. Reparieren steht vor wegwerfen, Secondhandprodukte werden ebenso angeboten wie Verbraucherinformationen. Im Unterschied zu klassischen Kaufhäusern werden in den Ökokaufhäusern viele kleine Läden unter einem Dach angesiedelt sein. Es könnte die Renaissance der Tante Emma in neuem Gewand werden.
Bereits vor drei Jahren schlossen sich mehrere Wirtschafts- und Umweltinstitute zusammen. In engem Kontakt zum Wuppertaler Institut für Klima, Umwelt und Energie koordiniert in Wuppertal seither das „Clearing-house for Applied Futures“ (CAF), das sich auch „Büro für angewandte Zukünfte“ nennt, die Aktivitäten. Der Erfolg werde sich bald zeigen, hofft Ute Zander vom CAF: „Es werden im nächsten Jahr bereits mehrere Ökokaufhäuser eröffnen, im Jahr 2001 dürfte es mit fünf bis zehn weiteren richtig losgehen.“
Auf welche Angebote sie ihre Schwerpunkte legen, bleibt jedem Kaufhaus selbst überlassen. So werden manche nahezu als Vollsortimenter konzipiert sein, andere werden ihr Angebot bewusst beschränken. Auch die Schwerpunkte secondhand oder fair gehandelte Produkte werden von jeder Initiative unterschiedlich gehandhabt. „Vielleicht wird es irgendwann ein Label der Ökokaufhäuser geben“, so Ute Zander. Welchen Weg die Häuser gehen werden, ist noch nicht absehbar. Im Moment geht es dem Büro allein darum, die einzelnen Initiativen in der Bundesrepublik zu bündeln: „Es muss ja nicht jeder mit den gleichen Problemen auf die Nase fallen.“ Bernward Janzing‚/B‘ „Clearing-house for applied futures“, Völklinger Straße 3 a, 42285 Wuppertal, Tel.: (0202) 28 06 3-0.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen