: Der Papst ruft zu Bekehrungen in Asien auf
■ Johannes Paul II. ignoriert in Indien Ängste vor einer Missionierung. In dem Dokument „Ecclesia in Asia“ verpflichtet er die Bischöfe, auf dem Kontinent Schäfchen zu sammeln
Dehli (taz) – Eine Messe mit rund 50.000 Gläubigen bildete gestern den Höhepunkt des Indien-Besuchs von Papst Johannes Paul II. Das Nehru-Stadion in der Hauptstadt Delhi war nur zu zwei Dritteln gefüllt, als das katholische Oberhaupt in seinem Papst-Mobil stehend eine Runde drehte und anschließend die Messe feierte. Am Vortag hatte er an der Schlusssitzung der Synode asiatischer Bischöfe das Dokument „Ecclesia in Asia“ präsentiert.
Da radikale Hindu-Gruppen Proteste gegen die christliche Bekehrungspraxis angekündigt hatten, waren zahlreiche Polizisten im Einsatz. In den letzten Wochen war es zu Kundgebungen gegen den Papstbesuch gekommen, bei denen eine Entschuldigung für den Bekehrungszwang in der Kolonialzeit und der Rückzug aller Missionare gefordert wurde.
Der Papst ging nicht direkt auf die Proteste ein. Er knüpfte in seiner Ansprache vor den Bischöfen vielmehr an die Äußerungen seiner indischen Gesprächspartner an, die ihm versichert hatten, dass die religiöse Toleranz ein Eckstein der indischen Politik sei, und er zollte Asien seine Hochachtung als Geburtsort großer religiöser Traditionen – darunter die des Christentums.
Der Hinweis des Papstes, Jesus sei in Asien geboren, diente nicht nur dem Wunsch, den Dialog zwischen diesen Traditionen zu vertiefen. Er war auch ein Argument, die „frohe Botschaft“ auf diesem Kontinent zu verbreiten. „Das erste Jahrtausend sah das Kreuz fest in die Erde Europas gepflanzt“, sagte er in seiner Predigt. „Im zweiten Jahrtausend folgten Amerika und Afrika. Möge nun das dritte Jahrtausend in diesem weiten und vitalen Kontinent eine grosse Glaubensernte einbringen“.
Bereits am Vorabend hatte der trotz seiner Gebrechen kämpferische Johannes Paul klargemacht, dass „Ecclesia in Asia“ die Bischöfe verpflichtet, „die Heilsbotschaft über die Länge und Breite der menschlichen Geographie Asiens zu verbreiten“; das Dokument sei ein „Aufruf zu Bekehrungen“. Angesichts der heftigen Diskussion über die Legitimität von Bekehrungen im mehrheitlich hinduistischen Indien – einer Kultur, die keine Bekehrung kennt – musste dies als Reizwort wirken. Es erstaunt daher nicht, dass einige Sonntagszeitungen „Papst: Bekehrt Asien!“ als Schlagzeile wählten und damit die Angst vor einem Kreuzzug der Kirche schüren. Es war auch wenig geschickt, dass die Organisatoren im Stadion auf einer Riesenwand neben dem Altar eine Weltkarte aufgezogen hatten, die aus der Zeit der kolonialen Eroberungen stammte. Bernard Imhasly
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