: Sanfter Druck für Fixer
Trotz aller Kritik: BAGS hält an Dezentralisierung der Drogenpolitik fest. Senat überlegt Zwangsmaßnahmen für KonsumentInnen ■ Von Gernot Knödler
Das Angebot des überlaufenen Gesundheitsraums Drob Inn in St.Georg soll erweitert werden, während DrogenkonsumentInnen gleichzeitig mit „sanftem Druck“ dazu gebracht werden sollen, Gesundheitsräume anderswo in der Stadt aufzusuchen. Das ist das Ergebnis eines von der Stadt in Auftrag gegebenen Mediationsverfahrens, das die Konflikte zwischen BewohnerInnen und Drogenszene entschärfen soll. Gleichzeitig versuchten die Mediatoren um Professor Wolfgang Gessenharter von der Bundeswehr-Uni dem Beschluss des Senats gerecht zu werden, der eine Zerstreuung der Drogenszene über mehrere Stadtteile vorsieht. Denn vom Konzept der Dezentralisierung der Drogenpolitik will der Senat ungeachtet aller Kritik und Zahlen nicht abweichen.
Das Hauptproblem sei „die Sichtbarkeit des Drogenkonsums“, sagte Gessenharter gestern und schlug ein dreistufiges experimentelles Verfahren vor: In einer ersten Stufe sollten die Öffnungszeiten des Drob Inn erweitert werden. Jede KonsumentIn soll eine Art Clubkarte (“Carnet“) erhalten, die sie mitbringen muss und auf der jeder Besuch vermerkt wird.
Die Carnets sollten den KonsumentInnen ein „Gesicht“ geben, sagte der Professor. Sie sollen das Gefühl der Wechselseitigkeit zwischen Stadt als Geberin und Süchtigen als NehmerInnen verstärken. Je nach Schwere ihrer Abhängigkeit, müsse von den KonsumentInnen verlangt werden, selbst etwas zu tun, sofern sie Hilfe in Anspruch nehmen.
Carnets bieten aus Senatssicht einen doppelten Ansatzpunkt, um Süchtige zu Druckräumen in anderen Stadtteilen zu lotsen: Wer sich nicht mit letzter Kraft ins Drob Inn schleppt, der soll bei Überfüllung, abgewiesen werden. Druckräume anderer Stadtteile könnte er dann zu gleichen Bedingungen wie in St. Georg nutzen. Auch das soll das Carnet gewährleisten.
Die Regenbogen-Gruppe in der Bürgerschaft bezeichnete Gessenharters Vorschlag, Drogenabhängige durch Druck dazu zu bringen, andere Gesundheitsräume aufzusuchen, als „realitätsfern und fachpolitisch unhaltbar“. Akzeptierende Drogenarbeit könne nicht darauf hinaus laufen, dass die Szene am Hansaplatz und in der Bremischen Reihe „von der Polizei in Unruhe gehalten“ wird, wie das Gessenharter formuliert hatte.
Das Drei-Stufen-Modell, so Susanne Uhl vom Regenbogen, schiebe eine Lösung auf die lange Bank, weil der Senat krampfhaft an der gescheiterten Dezentralisierungspolitik festhalte. Wie die taz ges-tern berichtete, hatte das Drob Inn im September eine Auslastung von 131 Prozent, das Café Drei in Hoheluft aber nur 14 und das Kodrobs in Altona nur 6 Prozent.
Die zweite Stufe des Mediatoren-Modells soll beschritten werden, falls Stufe eins den öffentlichen Drogenkonsum in St.Georg nicht wesentlich verringern sollte. In diesem Fall schlägt Gessenharter vor, das Drob Inn solle seine Konsumplätze verdoppeln und stärker mit der Polizei zusammenarbeiten. In Stufe drei könne alternativ oder zusätzlich ein Ableger des Drob Inn in St. Georg geschaffen werden.
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