piwik no script img

Rising im leeren Raum

■ Im KITO spielte das Trio des italienischen Pianisten Antonio Farao

Der Reiz der Konzertreihe „Rising Stars“, die jetzt schon im zweiten Jahr im KITO läuft, besteht darin, dass alle Auftritte wie Wundertüten sind. Kaum jemand kennt diese jungen Jazz-Talente, und so muss man sich auf Überraschungen einlassen. Oft war das KITO dabei erstaunlich gut besucht, denn den vielen schicken „jungen Sanften“ aus den USA, die einen Großteil der „rising stars“ stellten, wurden offensichtlich schon Vorschusslorbeeren gewährt.

Bei jungen Musikern aus Europa sieht das aber ganz anders aus: Das Trio des italienischen Pianisten Antonio Farao lockte Sonntagabend gerade mal soviel Gäste unters Vegesacker Holzdach, dass auf jeden Musiker auf der Bühne vier HörerInnen vor und drei nach der Pause kamen. Dabei hätte der junge Virtuose genauso gut aus New York kommen können, denn von seinem im Programmheft angekündigten „mediterranen Sound“ war nichts zu hören.

Statt dessen spielte hier ein begabter Jazzpianist, der technisch schon so brillant war, dass man erst nach einigen Stücken merkte, dass er noch gar keinen eigenen Stil oder Ton entwickelt hat. Alle Stücke wurden mit einem eher sportlichen Ehrgeiz angegangen: Farao spielte fast ausschließlich forte und versponn sich ständig in extrem schnelle und komplizierte Improvisationen, die einander allerdings sehr ähnelten.

Während in Pianotrios sonst eher ruhige und feinsinnige Schlagzeuger gefragt sind, spielte hier mit Dejan Terzic einer der Hochenergie-Drummer der Neo-Cobham-Generation. Die Besen hatte er gleich ganz zuhause gelassen, denn sein lauter, hektischer Stil passte ganz gut zum ähnlich auf den Saiten trommelnden Farao.

Bassist Michael Formanek war der ruhende Pol, der den solide pulsierenden Rhythmus vorgab, ohne viele eigene musikalische Impulse zu geben.

Vielleicht fehlt Farao nur ein starker Gegenpol in der Band. Vielleicht sollte er auch noch einige Lehrjahre in der Band eines ausgereiften Musikers absolvieren, denn zumindest an diesem Abend klangen er und sein Trio leider eher beliebig. Einen starken Einfluss von Chick Corea konnte man heraushören, mit „A Night in Tunesia“ verbeugte Farao sich vor den alten Meistern, aber ansonsten gab er dem Publikum kaum die Möglichkeit, ihn durch seine Musik kennen zu lernen.

Man blieb immer auf Distanz, und dies nicht nur, weil Antonio Farao sich auf der Bühne gebärdete, als wäre überhaupt kein Publikum da. Auch eine Handvoll zahlender Gäste freut sich über ein oder zwei Ansagen. Dieser Star muss wohl noch lernen, bevor er abhebt.

Wilfried Hippen

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen