Endlich beide Füße in die Tür bekommen

■  Der australo-britische Medienmogul Rupert Murdoch will bei Leo Kirchs Pay-TV-Plattform „Premiere World“ einsteigen. Aber warum nur? Geld verdienen wird er mit seinem Milliarden-Engagement zunächst wohl kaum

Rupert Murdoch macht Ernst im deutschen Fernsehmarkt, und sein Partner soll wieder einmal Leo Kirch sein: Den Aktionären seiner News Corporation sagte der australo-britische Medienmogul mit amerikanischem Pass vergangene Woche bei der Jahreshauptversammlung in Adelaide, die in Finanznöten verstrickte Kirch-Gruppe habe ihm ein Viertel der Anteile von Premiere World angeboten. Kaufpreis für die 24,9 Prozent: 1,06 Milliarden US-Dollar (1,9 Milliarden Mark), die über Murdochs britischen Satellitensender BSkyB an KirchPayTV fließen sollen. Kirch soll im Gegenzug mit etwa vier Prozent an BSkyB beteiligt werden.

Die Kirchgruppe bestätigt bisher nur, dass verhandelt wird. Nach Informationen der Financial Times soll der Deal noch in dieser Woche offiziell bekannt gegeben werden. Murdoch ist nach eigenen Angaben auch an einem Konsortium beteiligt, das beim zum Verkauf stehenden Telekom-Kabelnetz mitbietet.

Noch im Mai hatte der Kirch-Vorstand die Aufnahme von Mitgesellschaftern strikt ausgeschlossen. Doch nachdem eine geplante Kirch-Anleihe über zwei Milliarden Dollar auf den internationalen Finanzmärkten schlicht durchgefallen war, folgte der Kurswechsel. Nach einer internen Bilanz der Kirch-Gruppe für potenzielle Anleihepartner, die in Auszügen im Spiegel veröffentlicht wurde, hat Kirch allein im Pay-TV-Bereich Verbindlichkeiten von rund 4,5 Milliarden Mark.

Den Schuldenberg verdankt Kirch in erster Linie seinem Alleingang beim digitalen Pay-TV: DF-1, die Sendeplattform, die das Fernsehen revolutionieren sollte, blieb weit hinter den Erwartungen zurück und hatte Kirch seit dem Programmstart rund 1,8 Milliarden Mark gekostet. Auch die Pay-TV Konkurrenz Premiere, Kirch-Anteil zunächst nur 25 Prozent, machte 1998 über 300 Millionen Mark Verlust. Seit dem Frühjahr 1999 ist die Kirch-Gruppe alleiniger Herr über beide Plattformen, die im Oktober gemeinsam als Premiere World wieder auferstanden und von neuem für „ein revolutionäres Fernseherlebnis“ sorgen sollen. Kirch hat reichlich investiert, in den nächsten fünf Jahren werden noch einmal etwa 2,3 Milliarden Mark für Programmlizenzen und den Betrieb der Satelliten- und Kabelanlagen fällig.

Der Start von Premiere World scheint immerhin besser geglückt als der von DF-1. Rund 110.000 neue Abonnenten hat der Sender seit dem offiziellen Programmstart im Oktober dazugewonnen. Damit hat die digitale Plattform nach Kirch-Angaben jetzt 1.010.000 Kunden, eine weitere knappe Million bleibt auf das analoge Premiere-Programm abonniert. Murdochs britischer Pay-TV-Sender BSkyB hat dagegen über sechs Millionen Abonnenten. Murdoch sagt Premiere World daher ein rosige Zukunft voraus: „Ich denke, dass Premiere World sogar stärker als BSkyB werden kann. Schließlich sendet Premiere in einem Land, in dem es doppelt so viele Haushalte wie in Großbritannien gibt – mit höherem Durchschnittseinkommen.“ Schon 1997 hatte Murdoch mit Kirch über einen Einstieg bei DF-1 verhandelt. Damals sorgte eine höchst kritische Prognose der renommierten Bank Credit Suisse First Boston für einen Rückzieher in letzter Minute, zu teuer erschien den BSkyB-Beratern das Kirch-Projekt.

Die nun vorliegende Bilanz ist nicht weniger trübe, dennoch ist Murdoch offenbar entschlossen: Nachdem ihm weder sein Engagement beim Kölner Privatsender Vox noch die spektakuläre Übernahme von Herbert Kloibers „Frauensender“ tm3 mehr als einen Fuß in der Tür zum zweitgrößten Fernsehmarkt der Welt eingebracht hat, will er jetzt beim Pay-TV den Durchbruch schaffen.

Die 110.000 Neuabonnenten, auf die Premiere World stolz verweist, sind wohl hauptsächlich dem preiswerten „Einstiegsangebot“ der Pay-TV-Plattform zu verdanken. Auch BSkyB hatte günstig angefangen: Keine 20 Mark kostete umgerechnet ein BSkyB-Abonnement bei Sendestart. Seitdem die Kundenzahl ausreichte, wurde heftig an der Preisspirale gedreht, heute sind für ein Premium-Abo inklusive der begehrten Sportkanäle fast 65 Mark im Monat zu berappen. Sport, genauer: Fußball, ist es auch, was die Fans bei BSkyB hält. Fast die Hälfte aller Abonnenten ist wegen der britischen Premier League dabei, die BSkyB seit 1993 exklusive zeigt. Doch die Bundesliga teilt sich Premiere nach wie vor mit Kirchs Free-TV-Flaggschiff Sat.1, in Sachen Spielfilm macht sich die Kirch-Gruppe mit Pro7 selbst Konkurrenz. Rund 30 gebühren- oder werbefinanzierte Sender dekken zudem viele in Großbritannien nur über Murdochs Pay-TV verfügbare Interessen ab, vom Nachrichten- und Kinderkanal bis zum Kulturprogramm à la arte.

Murdochs Einstieg bei Kirch wurde von den Aktionären der News Corporation dennoch wohlwollend zur Kenntnis genommen. Denn die nötigen Mittel sollen nicht etwa von der Konzernmutter selbst, sondern von BSkyB aufgebracht werden. Danach sollen die rund 1,8 Milliarden Mark für den Murdoch-Anteil an Premiere World zum Teil durch eine Kapitalerhöhung sowie mit BSkyB-Aktien bezahlt werden. „Solange die Mittel nicht von der News Corp., sondern von BSkyB kommen, ist das eine gute Nachricht“, kommentierte die Investmentbank Salomon Smith Barney.

Mit dem BSkyB-Einstieg bei Kirch ensteht auch eine neue Konstellation im Pay-TV-Markt Europa: Canal +, Frankreichs erfolgreiche Bezahlfernsehplattform, ist über ihren Mutterkonzern Vivendi zu 24,9 Prozent an BSkyB beteiligt. Zwar sind Verhandlungen zwischen Vivendi und Murdoch über eine Fusion nicht zuletzt an kartellrechtlichen Auflagen gescheitert, eine strategische Allianz von BSkyB, Canal+ und Premiere World scheint aber nicht ausgeschlossen. Steffen Grimberg