piwik no script img

Der Frieden im Kongo ist zusammengebrochen

■ Rebellen beenden Waffenstillstand, nachdem die UNO stärkere Präsenz abgelehnt hat

Berlin (taz) – Entweder ein international überwachter Frieden oder ein neuer Krieg: An diesem Scheideweg stand gestern die Demokratische Republik Kongo, nachdem am Wochenende das geltende Friedensabkommen für das Bürgerkriegsland weitgehend zusammengebrochen war. Aber der Weg in Richtung Frieden scheint blockiert zu sein.

Die Rebellenbewegung MLC (Kongolesische Befreiungsbewegung), die mit Unterstützung Ugandas das nördliche Drittel des Kongo beherrscht, erklärte am Samstag das Lusaka-Friedensabkommen für gescheitert, das die sechs am Kongo-Krieg beteiligten Staaten am 10. Juli geschlossen hatten und dem sich später auch Kongos Rebellen angeschlossen hatten. „Der Lusaka-Waffenstillstand gilt nicht mehr“, erklärte MLC-Führer Jean-Pierre Bemba. „Er ist null und nichtig.“ Als Grund nannte Bemba den Angriff der Armee des kongolesischen Präsidenten Laurent-Désiré Kabila und erklärte: „Unsere Gegenoffensive hat bereits begonnen.“

Auch die andere große Rebellenbewegung des Kongo, die im Osten des Landes mit Unterstützung Ruandas herrschende RCD (Kongolesische Sammlung für Demokratie), richtet sich auf einen neuen Krieg ein. „Ich glaube, dass die Waffen wieder sprechen werden“, sagte RCD-Sprecher Kin-Kiey Mulumba. Ruandas Präsidialminister Patrick Mazimhaka bekräftigte: „Die Kongolesen haben allen Grund, die Lusaka-Abkommen für gescheitert zu halten.“ Ruanda halte sich allerdings weiter an den Waffenstillstand.

Diese Entwicklung kommt nicht überraschend. Seit Mitte Oktober gibt es Berichte über Kämpfe zwischen der MLC und Kabilas Truppen im Nordwesten des Kongo. Zugleich verstärkten die von Kabila geschützten ruandischen Hutu-Milizen ihre Aktivitäten hinter den Rebellenlinien.

Vor einer Woche verkündete Kabilas Staatsfernsehen den bevorstehenden Einmarsch in Ruanda. Die Armee sei „bereit, ihre Mission zu erfüllen“, hieß es. Man werde gegen Ruanda „schrecklich, aber gerecht“ vorgehen, und Ruandas Vizepräsident Paul Kagame werde seine „Arroganz“ schon vergehen, „wenn die kongolesische Armee in Kigali steht“. Zugleich wurden Berichte über neue Massaker an Zivilisten im RCD-kontrollierten Osten des Kongo, bei denen es bis zu 100 Tote gegeben haben soll, als Beleg für den mangelnden Friedenswillen der RCD angeführt.

So rückt allmählich näher, was Politiker aller Kriegsparteien und Experten aller Hilfsorganisationen vorausgesagt hatten: dass ohne eine starke internationale Präsenz im Kongo ein neuer Krieg droht, der die bisherigen Kongo-Kriege in den Schatten stellen könnte. Aber die internationale Gemeinschaft bleibt untätig. Der UN-Sicherheitsrat lehnte Ende letzter Woche den Wunsch des UN-Generalsekretärs Kofi Annan ab, eine 500 Mann starke UN-Militärbeobachtermission in den Kongo zu entsenden. Stattdessen wurde die jetzige UN-Beobachtermission von 90 Mann bis zum 15. Januar verlängert.

In Wirklichkeit sind nicht einmal 90 UN-Beobachter stationiert, sondern nur 39, und die meisten davon nicht im Kongo, sondern in den am Kongo-Krieg beteiligten Nachbarländern. Diejenigen, die es bis in Kongos Hauptstadt Kinshasa geschafft haben, dürfen die Stadt nicht verlassen. Die ebenfalls unter dem Lusaka-Abkommen gebildete „Gemeinsame Militärkommission“ der kriegführenden Länder werkelt mit einem Budget von 500.000 US-Dollar vor sich hin – so viel kostet eine ausgewachsene UN-Blauhelmtruppe an einem halben Tag.

Sogar angesichts der Aufkündigung des Waffenstillstands durch Kongos Rebellen ziehen es die internationalen Paten des Kongo-Friedensprozesses jetzt vor, die Gefahrensignale nicht zur Kenntnis zu nehmen. Ein Sprecher des südafrikanischen Außenministeriums sagte: „Unsere Meinung ist, dass das Abkommen halten wird, und es gibt nichts, was darauf hindeutet, dass es zusammenbricht.“ Sambias Verteidigungsminister Timothy Kazembe, der in der „Gemeinsamen Militärkommission“ sitzt, sagte: „Die Entsendung von UN-Beobachtern in den Kongo wird vermutlich nach drei bis vier Monaten kommen.“

Es ist unwahrscheinlich, dass es dann noch einen Frieden gibt, der beobachtet werden kann. Und im und um den Kongo würde kein Mensch mehr der UNO glauben, wenn sie behauptet, Frieden stiften zu wollen. Dominic Johnson

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen