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Tour-TagebuchMal wieder Schwein gehabt: Wir sind durch!

■ Die Bremer Band „missing link“ hat jetzt eine Tournee durch Weißrussland gemacht und dabei nicht nur diverse Krankheiten bezwungen. Bandgitarrist Jakob Nebel hat die Reise in einem Tagebuch dokumentiert. Teil 1: Der schwierige Weg über die Grenze

Als einzige deutsche Band hat das Bremer Quintett „missing link“ im Oktober an einem Internationalen Jugendfestival in der weißrussischen Hauptstadt Minsk teilgenommen. Organisiert hatten das Festival der Deutsche Bundesjugendring in Kooperation mit den schweizer und weißrussichen Partnerorganisationen. Bereits in seiner Zivi-Zeit beim Sozialen Friedensdienst war Bandgitarrist Jakob Nebel mehrmals in Weißrussland und konnte bei der Gelegenheit Kontakte zur dortigen Musikszene knüpfen, so dass „missing link“ an die Festivalteilnahme eine kleine Weißrusslandtournee knüpfen konnten. Die Reiseeindrücke hat Jakob in einem Tourtagebuch festgehalten, das wir in den kommenden Tagen in der tazdokumentieren.

Mittwoch, 6. Oktober

Prolog oder Die Krankenstation: „missing link“ startet ins Abenteuer Belarus

Zwei Uhr: Probenraum Zionsgemeinde Kornstr., Bremen. Wir beladen den Tourbus und lernen dabei Jochen, den Fahrer, kennen. Der weiß erst seit 24 Stunden, dass er die Tour fahren soll, da der zuerst beauftragte Fahrer sich am Wochenende die Hand gebrochen hat. So war Jochen schon den ganzen letzten Tag auf Achse, um sich in Bonn bei der Botschaft ein Expressvisum zu besorgen, ist also jetzt schon müde. Nach kurzem Halt in Hannover, um das mitreisende Kamerateam abzuholen, ist die Mannschaft komplett:

5 x „missing link“ (Raphael, Keys / Sebastian, Vox / Till, Drums / Felix, Bass / Jakob, Guitar). Dazu: Boris, Tontechniker; Jochen, Busfahrer und Freak; 3 x TVN (Thomas, Regie / Kersten, Kamera / Jkl, Ton und coole Sprüche).

Ich merke gleich, dass diese Crew ausgesprochen gut miteinander harmonieren wird – mal wieder Schwein gehabt! Die gesundheitlichen Startbedingungen sind allerdings alles andere als gut: Sebastians Hals streikt und weigert sich zu singen. Raphael hat Grippe und liegt blass und schwitzend im Bett. Till und ich haben Erkältung. Egal, „missing link“ hat noch jede Krankheit bezwungen (wir haben übrigens alle keine Auslandskrankenversicherung abgeschlossen. Ganz schön schlau!)

Der erste Tag wird mit Gesprächen, essen und Playstation spielen verbracht. Das eigentliche Abenteuer beginnt dann erst am Donnerstag, 7.Oktober

Sechsstündiger Halt an der Grenze Terespol & der Beginn des Star-Daseins

3h30: Wir kommen an die Grenze Terespol (Polen/Weißrussland), wo uns erstmal der polnische Grenzer mit großer Freude zwei Stunden lang festhält. Zuerst grimmig, dann begeistert (darüber, dass er mal eine Rockband samt Bus in die Finger bekommt), dann wieder grimmig, weil das entscheidende Papier für den Bus nicht schnell genug gefunden wird. Später verschwindet er für die nächste Stunde, um einen Passierschein für den Bus auszustellen. Jochen, unser Fahrer & treuer Mitstreiter sitzt, nach nur vier Stunden Schlaf in den letzten 30 Stunden, völlig abgekämpft am Steuer. Aber die Fahne hält er trotzdem noch wacker hoch (den Joint auch). Ein unglaublicher Mensch! Das Einzige, was ihn und auch alle Übrigen noch wach hält, sind die acht Stunden, die noch bis zum Soundcheck fürs erste Konzert in der Minsker Uni verbleiben. Und als meine Jungs und ich endlich noch ein Stündchen Schlaf zu bekommen versuchen, stehen auch schon Kersten & Jkl, die zwei Lustigen von TVN samt Kamera vor unseren Kojen und halten mir Objektiv und Flashlight ins Gesicht.

Später. Wir sind ein Stück weiter. Jetzt ist der anheimelnd unfreundliche Mann vom weißrussischen Zoll da und studiert flüchtig unsere Einladung. Da-raufhin verschwindet er für eine Stunde, um mal kurz zu telefonieren. Schließlich bekommen wir die Blanko-Zolldeklarationen für unser Equipment ausgehändigt und machen uns ans Ausfüllen. Fertig und willig zur Abgabe werden wir darüber unterrichtet, dass seit fünf Minuten Schichtwechsel ist und die Nachfolge ihren Dienst in 30 Minuten antritt. Aber: „Dann kein Problem, Stempel ... fertig!“ „Können wir nicht kurz Stempel ... bitte?“ „Nein, nein, Schichtwechsel, entschuldigen Sie!“

Schichtwechsel erfolgt auch wirklich, nachdem unser Freund 40 Minuten untätig rumgesessen hat. Unsere Deklarationen werden bei den Nachfolgern natürlich doch zum Problem, da die Equipmentauflistung auf alle Personen aufgeteilt werden muss, werden noch mal zum Problem, weil der Wert der Instrumente doch nicht eingetragen werden durfte. Stempel ... fertig! Pass-und Polizeikontrolle und weitere zwei Stunden später können wir der Dame vom Bundesjugendring stolz verkünden: Wir sind durch!

Jakob Nebel

1994 gründeten eine Handvoll 15-Jährige „missing link“. 1997 gewann das Quintett den Bremer Landesrockpreis und belegte beim Bundesrockpreis den dritten Rang. Bei „starfish music“ und „rockwerk records“ sind ihre beiden CDs „out of season“ und „ahead“ erschienen. Im Konzert sind sie am 10. Dezember ab 18 Uhr im Schlachthof sowie am 12. Dezember um 20 Uhr im Woody's zu hören.

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