: Wer bekommt den Schlüssel zur Stadt?
■ Das Internet-Stadtinformationssystem www.bremen.de soll privatisiert werden / Wird die Internet-Adresse nun unter Ausschluss der Öffentlichkeit vergeben, wie manche fürchten?
Auf der Internetseite www.bremen.de steht es schon lange: „Das Städteinformationssystem soll privaten Trägern übergeben werden.“ Doch die offizielle Bremen-Seite befindet sich immer noch im Besitz der Stadt. Gleichzeitig drängt die Zeit: Die Arbeitsverträge von einigen der viereinhalb Festangestellten laufen zum Ende des Jahres aus. Und Bremen will die Kosten für die aufwendige Internet-Präsenz der Stadt am liebsten loswerden. „Bis Ende des Jahressollte das Land die Kosten abwälzen“, hat Projektleiter Manfred Klenke aus der Senatskanzlei noch im September in Berlin gesagt.
Tatsächlich aber scheint ein Umdenken bei den Projektleitern stattgefunden zu haben. Klenke favorisiert inzwischen ein Public-Private-Partnership unter Beteiligung von Bremer Firmen. Für eine „Bremer Lösung“ plädiert auch Projektleiterin Gisela Schwellach von der Senatskommission für das Personalwesen (SKP). „Ich tue mich schwer damit, das Stadtinformationssystem an einen Großanbieter zu geben“.
Ursprünglich sollte der Privatisierungs-Weg des Stadtinformationssystems www.berlin.de kopiert werden, das die DaimlerChrysler-Tochterfirma debis gekauft hatte. Auch in anderen Städten kaufen finanzstarke Multis wie debis oder Telekom Stadtinformationssysteme auf, weil sie ein Geschäft der Zukunft wittern. Wenn eines Tages bestimmte Dienste wie Autoummeldung oder Konzertkartenkauf über das Internet abgewicklelt werden, wollen die Großen an den Gewinnen beteiligt werden.
Doch Berliner Politiker haben sich ihr in Verträgen festgelegtes Mitspracherecht im Projektverspielt, als die debis die Internet-Adresse an die Telekom-Tochter debitel weiterverkaufte. Inzwischen sind in Bremen alle Beteiligten ganz froh, dass sich die Privatisierungs-Pläne in die Länge zogen.
Was jetzt von vielen Multimedia-Experten in Bremen dringend angemahnt wird, ist ein offenes Verfahren bei der Zukunfts-Planung von bremen.de. Kleine Internet-Firmen wie die „Farm“ oder das Medienhaus Walle hätten durchaus Interesse, sich in Zukunft zu beteiligen – wenn sie von der SKP und der Senatskanzlei an die Bulletten herangelassen werden. Rainer Krause, Geschäftsführer der Farm, appelliert, dass die Vergabe „nicht hinter verschlossenen Türen stattfinden“ solle. Die übliche Kleinkrämerei bei der Vergabe wäre „fatal“.
Anfangs hatte der hochkarätig besetzte Internet-Rat die Privatisierungs-Pläne begleitet. Das Gremium ist inzwischen eingeschlafen – was im angeblichen Multimedia-Standort Bremen niemanden zu stören scheint. Auch die Geheimniskrämerei, mit der nun von der SKP zwei Gutachten in Auftrag gegeben wurden, stimmt skeptisch. In einer Expertise wird untersucht, wie bremen.de gewinnbringend vermarktet werden kann. Mit der anderen Expertise will man sich gegen vertragliche Reinfälle wie in Berlin wappnen.
Das Stadtinformationssystem wurde Ende 1995 in Betrieb genommen. Pro Monat werden die Seiten nach offiziellen Angaben, denen man nicht zu viel Glauben schenken darf, von 1,5 Millionen Besuchern angeklickt. Seit Beginn des Projekts hat die Stadt Bremen nach Angaben von Schwellach rund 2,5 Millionen Mark investiert. Bei vergleichenden Bewertungen von Internet-Angeboten schnitt Bremen meist gut ab – auch wenn es den Seiten an Leben fehlt. Das alternative Konkurrenzprojekt hieß in Bremen lange Zeit „Internationale Stadt“ (www.is-bremen.de), konnte sich allerdings nicht durchsetzen. Ein Erlös bei der Privatisierung wird nicht erhofft. Bei der debis in Berlin wird geschätzt, dass man einen zweistelligen Millionenbetrag in einen solchen Dienst stecken muss, bevor er Profite einbringt.
Verschiedene Unternehmen klopfen immer wieder mit Interesse an dem Stadtinformationssystem an. Die Handelskammer will nun zusammen mit der Bremer Innovations-Gesellschaft eine Informationsveranstaltung für interessierte Bremer Unternehmen veranstalten. Der Termin allerdings steht noch nicht fest. ChrisDowe§aol.com
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen