Sei auf das Schlimmste gefasst!

■ Kammerspiel der Gewalt: Mit Headless Body in Topless Bar inszeniert Barbara Bürk im Malersaal den Amoklauf eines unterbelichteten Kleinkriminellen

Was wäre die Literatur ohne die Entdeckung der Plötzlichkeit? Ohne die beunruhigende Vorstellung, dass unter Umständen eine Nacht genügt, um uns in einen Käfer zu verwandeln? Dahinter verbirgt sich die erkenntnistheoretische Gewissheit, dass uns auch eine Lebensversicherung nicht vor dem Amokschützen aus Bielefeld retten kann. Nicht nur, weil wir getroffen werden könnten, sondern, weil wir uns vielleicht selbst auf die Tat vorbereiten. Nur haben wir noch keine Ahnung. Die Hülle liegt nicht mehr im Jenseits, sondern haust bestenfalls beim Nachbarn, wahrscheinlich schlummert sie aber unter der eigenen Bettdecke. Sei auf alles gefasst! Vor allem auf das Schlimmste!

Das ist auch die existenzielle Botschaft des amerikanischen Autors polnischer Herkunft Peter Koper. In seinem ersten Theaterstück Headless Body in Topless Bar erschießt der etwas unterbelichtete Kleinkriminelle Larry den Besitzer einer Striptease-Bar. Die anwesenden Gäste und die Tänzerin Candy nimmt er kurzerhand als Geisel, ohne recht zu wissen, was zu tun ist. Als erstes verriegelt er die Tür und setzt damit die Koordinaten für ein Kammerspiel der Gewalt: ein Verrückter, fünf Gefangene in einem Raum für eine Nacht.

Koper, der seit den 50er Jahren in Amerika lebt, arbeitete bisher als Drehbuchautor und Filmproduzent. Auch Headless Body in Topless Bar ist die Bearbeitung einer Filmversion. Story, Personage und Sprache machen daraus keinen Hehl. Die sadistischen Psycho-Spiele, mit denen Larry seine Geiseln zur Preisgabe ihrer sexuellen Obsessionen, persönlichsten Ängs-te und Sehnsüchte zwingt, erinnern an David Lynch; die Schießerei, bei der weniger das Opfer als vielmehr der blutverschmierte Anzug Bedauern hervorruft, spielt auf Tarantino an.

Die Regisseurin Barbara Bürk knöpft sich nach ihrem Regiedebüt vor ziemlich genau einem Jahr bei ihrer zweiten Inszenierung am Deutschen Schauspielhaus wieder ein Stück vor, das erst als Kinofilm umgesetzt wurde, bevor es auf die Bretter kam. Das ist aber die einzige Parallele zwischen Erklärt Pereira und Headless Body in Topless Bar. In Antonio Tabucchis Geschichte eines alternden portugiesischen Kulturjournalisten konnte die 34-jährige Regisseurin mit marthalerscher Langsamkeit operieren.

In Kopers Stück könnte ein anderer Einfluss erkennbar werden: der Castorffsche Furor, den Barbara Bürk während ihrer drei-jährigen Assistenzzeit ebenso aus der Nähe kennengelernt hat wie den Schweizer Wiederentdecker der Langsamkeit.

Joachim Dicks

Premiere: Sa., 13. November, 20 Uhr, Malersaal