Nicht entlastet und doch erleichtert

■ Hauptversammlung des FC St. Pauli: Präsident Weisener bekommt Kontrolleure seines Herzens

Um kurz nach Mitternacht wurde es im CCH zum ersten Mal etwas lauter. Da nämlich verkündete Sitzungsleiter Karsten Marschner das Ergebnis der mit Spannung erwareten Aufsichtsratswahlen: Fünf der sechs von Präsident Heinz Weisener favorisierten Kandidaten hatten sich durchgesetzt. Und viele Anhänger des bisherigen Weisener-kritischen Aufsichtsrates waren empört.

Zuvor waren die 811 Anwesenden Zeugen und Darsteller einer Veranstaltung, die erstaunlich diszipliniert ablief, was angesichts der Brisanz nicht selbstverständlich war. Schließlich galt es, nicht nur einen neuen Vizepräsidenten sowie den kompletten Aufsichtsrat neu zu wählen. Für weitere Brisanz sorgte der Bericht des Kassenprüfers Jost Münster, der in der Empfehlung gipfelte, das Präsidium nicht zu entlasten: Die Leasing-Verträge für Gegentribüne und Flutlichtanlage seien nicht fristgerecht gekündigt worden, wodurch ein Schaden von 250.000 Mark entstanden sei. Darüberhinaus hätten die geleasten Güter seit 1992 in der Positiv-Bilanz des Vereines gestanden, obwohl sie ihm nicht gehörten. Im Juni habe Weisener sie dann zum Kaufpreis von 150.000 Mark privat erworben. Dubioserweise tauchten sie aber in der Bilanz vom 30. Juni erneut als Vereinsvermögen im Wert von 327.000 Mark auf. Trotz der Zusage von Heinz Weisener, für den entstandenen Schaden gerade zu stehen, entschieden Kassenprüfer, Aufsichtsrat und Präsidium in einer Sitzungspause einstimmig, einen neutralen Wirtschaftsprüfer zu bestellen und die Entlastung des Präsidiums zu vertagen.

Nach diesem für Weisener recht peinlichen Zwischenspiel folgten die Wahlen von Vizepräsident und Aufsichtsrat. Und deren Ausgang vermochte es, erstmals ein dezentes Lächeln auf des Präsidenten Gesicht zu zaubern. Nachdem die Querelen zwischen Weisener und Vize Wolfgang Helbing dafür gesorgt hatten, dass das Präsidium seit Februar 1998 nicht ordnungsgemäß besetzt war, stand im CCH mit dem Ex-Profi Reenald Koch nur ein Kandidat zur Wahl, der als enger Vertrauter des Präsidenten gilt. Bei nur 18 Gegenstimmen und 109 Enthaltungen wurde er dann auch erwartungsgemäß gewählt.

Auch die Wahl des Aufsichtsrates sorgte für einen überraschend klaren Sieg der von Weisener favorisierten Crew um Vereinsarzt Peter Benckendorff und Ex-Präsident Wolfgang Kreikenbohm – um so überraschender, als die Weisener-kritische Aufsichtsratsvorsitzende Tatjana Groeteke viel Applaus für ihre erneute Kritik an der Amtsführung Weiseners bekommen hatte: „Die Berufsgenossenschaft hat 600.000 Mark zurückbezahlt, außerdem sind über 400.000 Mark an Altforderungen zurückgeflossen. Soviel zum Thema Sparkurs“, kritisierte die 36-jährige Journalistin die Behauptung Weiseners, ihm sei es gelungen, 1,1 Millionen Mark einzusparen. Doch offenbar gab der langanhaltende Beifall, den auch die anderen beiden Sprecher des kritischen Mitglieder-Gremiums AGIM, Uwe Doll und Holger Scharf, einheimsten, nicht die Stimmung der Mehrheit der Vereinsmitglieder wieder. Die wählten bereits im ersten Wahlgang außer Christian Pothe (389 Stimmen) alle Bewerber vom „Weisener-Flügel“: Das beste Ergebnis erzielte der Rechtsanwalt Peter Paulick mit 501 Stimmen. Auch der SPD-Bürgerschaftsabgeordnete Dietrich Ellger (471), Wolfgang Kreikenbohm (447), der Frankfurter Juristen Hans-Jürgen Kion (444) und Peter Benckendorff (409) konnten sich durchsetzen. Mit Hans-Günter Schlichting (407) und Tatjana Groeteke (442) konnten sich lediglich zwei Mitglieder des alten Aufsichtsrates behaupten, Scharf (351) und Doll (333) fielen ebenso durch wie vier andere Kandidaten.

Während sich Weisener erleichtert zeigte („Die flößen mir Vertrauen ein“), fluchten Teile der meist jugendlichen Anhängerschaft des alten Aufsichtsrates über die „alten Säcke“, die angeblich en bloc für die „Weisener-Kandidaten“ gestimmt hätten. Und Tatjana Groeteke war enttäuscht: „Ich hätte mir einen anderen Ausgang gewünscht. Dennoch werde ich so kritisch bleiben, wie ich bin.“

Christoph Ruf