Kommentar: Delphis Orakel
■ Warum das Urteil zum Finanzausgleich dem Senat nur eine Atempause gönnt
Das Schöne an Verfassungsgerichtsurteilen wie diesem ist: Es geht zu wie beim Orakel von Delphi. JedeR kann sich heraus interpretieren, was er mag. Hört man sich die Reaktionen der Beteiligten an, klingt es daher so: Alle haben gewonnen. Man kann aber auch die Medaille einfach umdrehen und lesen, was auf der anderen Seite draufsteht: Alle haben verloren, und Hamburg kann langfristig zu den VerliererInnen dazugehören.
Erst einmal geht es so weiter wie bisher. Der Senat kann den Haushalt weiter konsolidieren, ohne dass Karlsruhe ihm einen Strich durch die Rechnung macht. Aber trotzdem kann auch Hamburg nicht so weitermachen wie bisher. Denn im Hintergrund lauert das Datum 2005 – und dann kann genau das eintreffen, was die Pessimisten im Rathaus schon für jetzt befürchtet hatten.
In spätestens sechs Jahren wird wieder ganz neu verhandelt, und die Vorgaben der Verfassungsrichter deuten an, dass das Ausgleichssystem dann völlig auf den Kopf gestellt wird. Die Stadtstaaten verlieren dann wahrscheinlich ihre Privilegien, die sie jetzt noch vor dem finanziellen Austrocknen schützen. Und Hamburg, das zurzeit als Zahler noch gut dasteht, könnte plötzlich in die Rolle desjenigen kommen, der auf Unterstützung durch die potenten Flächenstaaten Nordrhein-Westfalen, Bayern und Baden-Württemberg angewiesen ist. Und die würden dann erheblich weniger Geld springen lassen als bisher. Auch das hat Karlsruhe bereits gestern auf den Weg gebracht. Vom Krösus zum Almosenempfänger, das kann für Hamburg dann ganz schnell gehen.
Peter Ahrens
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