Engelfisch zu Müllmädchen

■ Shirley Manson von Garbage über Dialekt, David Lynch und Butch Vig

Der Wind bläst durchs Telefon. Man kann Shirley Manson, die gerade bei den letzten Proben zur Tour im Edgewater Hotel in Wisconsin sitzt, kaum verstehen. Und das liegt beileibe nicht nur an ihrer Erkältung und dem Gekicher. Anders als in der Öffentlichkeit, also auf dem Debut von Garbage, führt sie ein ziemlich kehliges Schottisch im Mund. „Ich habe mich daran gewöhnt, amerikanisch zu singen, weil meinen Dialekt ohnehin niemand verstehen würde“, lenkt sie prustend ein. „Außerdem habe ich zu Hause immer Sängerinnen wie Patti Smith oder Nina Simone gehört und diese imitiert.“

Das Verdienst, die quirlige Schottin von den ziemlich drögen Angelfish weggeholt zu haben, kommt keinem geringerem als Butch Vig zu, dem Produzenten von Nirvana, Sonic Youth und Smashing Pumpkins. Angst davor, das Gesicht oder die Oberfläche für drei weidlich bekannte, aber langweilige Musiker – neben Butch Vig noch Duke Erikson und Steve Marker – abzugeben, hat sie dabei nicht: „Außerdem gibt es nicht viel, was ich dagegen tun könnte.“ Shirley Manson weiß, daß man auch ohne „Die Band von Butch Vig“-Suffixen von Garbage sprechen würde. Und so stolpert sie mit großen Augen in ihre Popwelt. „Auch wenn ich meine guten Momente habe, bin ich wie dieses ,Stupid Girl' aus dem Stück.“

Doch ihr American Dream formatiert sich bei Garbage paradoxerweise als eine zielstrebige Mischung aus USA und England, aus vollen Gitarren und Melancholie. Für „Only Happy When It Rains“ etwa zitiert sie bei aller Akzentverschiebung einen Klassiker von The Jesus And Mary Chain „Vielleicht liegt diese Melancholie in der schottischen Psyche,“ gesteht sie zu.

Doch lieber redet sie über Dichotomien, wie über die luxuriöse Federboa als Cover zu einem Grunge-Album, Dance-Beats zu Gitarrenwänden oder über Wahnsinn und Normalität. „Come down to my house / Stick a stone in your mouth / I'll feed your obsession“, heißt es in dem wohl besten Stück „Supervixen“, nach einem Filmtitel von Russ Meyer benannt. „Ich singe von Frauen, die größer sind als im richtigen Leben“, kichert die Sängerin, die ein wenig an MTV-Marijne gemahnt. „Dennoch mag ich die Filme von David Lynch lieber, in denen die Oberfläche mit dem Wahnsinn zusammenfällt. Ich möchte mit dem Text betonen, daß Gut und Böse manchmal eins sind.“

Gut und Böse fallen auch in der Musik von Garbage zusammen. Während Butch Vig bei manchen Stücken die Noise-Loops sparsam schichtet, gerät ihm gelegentlich das Equipment außer Rand und Band, so daß die Beats regelrecht billig klimpern. Dem mag Shirley Manson in ihrem Hotel in Wisconsin natürlich nicht zustimmen. „Ist dir klar, daß du vom gerade erfolgreichsten Gitarrenproduzenten sprichst? Aber das mit den billigen Beats werde ich den Jungs sagen“, entgegnet sie, während der Satz in einem Kichern untergeht. Oder war es doch im Schottisch?

Volker Marquardt

Mo, 27. November, Große Freiheit, 21 Uhr