Von Brot und Kartoffeln

■ Barmbek: Stadtteilgeschichte auf der Straße Von Jörg Helmedach

Nur wenige Hamburger Stadtteile illustrieren so eindringlich die Irrtümer der Stadtplanung wie Barmbek: Man versuche beispielsweise, als Fußgänger einen Schaufensterbummel entlang der Hamburger Straße zu machen und sich trotzdem als Mensch zu fühlen. Und doch hat dieser Stadtteil eine Geschichte, und die erzählen nun 14 Schautafeln der Geschichtswerkstatt Barmbek. So steht beim Einkaufszentrum an der Hamburger Straße eine Tafel, die von Armut und Knappheit in Barmbek (früher einer der ärmsten Stadtteile Hamburgs) berichtet. Ein Foto zeigt den Warenkorb der Wohlfahrtsunterstützung 1932. Motto: Von Brot und Kartoffeln kann man auch leben.

Die Rückseite der Tafel erzählt vom Vorkriegs-Einkaufsparadies Hamburger Straße: 1928 hatte Karstadt ein hochmodernes Kaufhaus eröffnet – mit Rolltreppen (damals der letzte Schrei), einem Dachgarten und einer hocheleganten Innenausstattung. Nicht nur für Erwachsene eine Attraktion, sondern auch für Kinder. Nur hatten die Probleme, alleine an den uniformierten Türstehern vorbeizukommen.

Eine andere Tafel, neben dem Turmbunker am Barmbeker Bahnhof, klärt über das Kalkül der Nazis auf, ihre Schutzbunker mit romantisierenden Fassaden zu verkleiden: Was wie ein Schloßturm aussieht, ließ kaum an Kriegsvorbereitungen denken. Wußten Sie übrigens, daß das Innere des Bunkers aus einer sich korkenzieherartig hochschraubenden schiefen Ebene besteht?

Informativ, gut geschrieben, schön bebildert und wetterfest auf Kunststoff verewigt sind die Schautafeln: Wer sich die Mühe macht, stehenzubleiben, kann eine Menge über Barmbek lernen. „Wir wollten Menschen ansprechen, die wir sonst nicht erreichen“, erklärt Dieter Thiele von der Geschichtswerkstatt Barmbek das Projekt. Die Gestaltung der Tafeln sei auf den schnellen Blick im Vorbeigehen abgestellt: „Ich erwarte nicht, daß alles durchgelesen wird.“

Trotzdem hofft Thiele, daß BetrachterInnen der Tafeln mehr als nur die beliebte Früher-Heute-Gegenüberstellung aufnehmen: Wie lebten die Menschen früher, was waren ihre Arbeitsbedingungen, was hat sie bewegt, was hat ihnen Spaß gemacht, worunter haben sie gelitten? – Einige der Fragen zur Geschichte eines Stadtteils und seiner Menschen, die Dieter Thiele bei den BetrachterInnen zu provozieren hofft.

Doch den meisten PassantInnen (die achtlos an den Tafeln vorbeirennen) und auch manchen Jugendlichen (die sich schon mit Sprayfarbe auf dem teuren Acrylglas verewigt haben), ist das, so will es scheinen, nur schwer nahezubringen.