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■ Alltagsleben hinter der Windschutzscheibe
Die Ampel ist rot, das Auto steht, der Fahrer ist ganz vom Verkehr umschlungen. Nur wenige Sekunden trennen ihn von der Aufmerksamkeit, mit der er sich wieder in Bewegung setzt. Also kratzt er sich am Bauch, trommelt gedankenverloren auf das Lenkrad oder gibt seiner Beifahrerin einen Kuss. Bei alledem ist er viel zu beschäftigt, um zu bemerken, dass Kurt Caviezel das Treiben vom Fenster seiner Wohnung aus beobachtet.
Das Haus, in dem der 1964 geborene Schweizer Fotograf lebt, liegt an einer befahrenen Kreuzung in Zürich. Im Sommer 1997 hat er mit einem 1.000-mm-Teleobjektiv auf der Kamera in die haltenden Fahrzeuge hinein fotografiert. Für den Moment kommen zwei Innenwelten zusammen: Caviezels Blick aus dem Fenster und das Leben auf der Straße in den Autos.
Jetzt ist der Bildband „Red Light“ in der Edition Patrick Frey des Scalo Verlags erschienen (280 Seiten, 68 DM). Die einzelnen Fotoserien wurden nach Gesten und Details geordnet, ohne nach einer Soziologie des Biotops „Auto“ zu suchen. Statt dessen sieht man, wie sich auf engstem Raum Verhaltensweisen im Alltag doppeln, häufen, wiederholen. Manchmal streckt jemand seine Hand zum Fenster heraus und grüßt den, der neben ihm wartet. Dann geht die Fahrt weiter. hf
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