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Ariernachweis für Fußballfans ■ Von Ralf Sotschek
Am Ende konnten die vielen schottischen Fußballfans, die keine Eintrittskarte mehr bekommen hatten, froh sein. Ihr Team unterlag im Qualifikationsspiel für die Europameisterschaft 2000 am Samstag im Glasgower Hampden Park dem Erzfeind England mit 0:2. Es war, jedenfalls aus schottischer Sicht, ein grauenhaftes Spiel (siehe Leibesübungen).
Zuvor hatten die Fans allerdings ihr Land lahm gelegt: Als die Telefonleitungen für die Kartenbestellung vorletzte Woche freigeschaltet wurden, riefen gleich in der ersten Minute mehr als 17.000 Menschen an, das Telefonnetz brach zusammen, in Glasgow und Edinburgh blieben die Leitungen stundenlang tot. Gerade mal vier Menschen hatten sich bis dahin Karten sichern können. Als die Leitungen wieder standen, gingen eine Million Anrufe pro Stunde ein. Die 35 Telefonisten rauften sich die Haare, die Fans wählten sich die Finger platt. Viele, die schließlich doch durchkamen, erlebten eine bittere Enttäuschung: In ihrem Eifer hatten sie die letzte Ziffer verwechselt und waren bei „Magic Bob's Halloween Party“ gelandet. Phyllis Steel, die Party-Organisatorin, sagte, bei ihr habe das Telefon den ganzen Tag geläutet, aber zur Party wollte niemand.
Manche hatten einen direkten Draht zur Stadtverwaltung, die für den Kartenverkauf zuständig war: Rund 4.000 Tickets gingen an die Beamten, die einfach die interne Nummer wählten und dadurch die Warteschleife austricksten. Das gelang auch mehreren Angestellten von British Telecom, die sich mit Spezialgeräten an die Spitze der Schlange schummelten. Die meisten schottischen Fans hatten jedoch kein Glück, weil nur 15.000 Karten an die Öffentlichkeit verkauft wurden.
Für das Rückspiel übermorgen im Londoner Wembleystadion bekamen die Schotten erst recht keine Karten. Der englische Fußballverband, aus Angst vor einer Invasion der Braveheart-Nachfahren, hatte sich etwas Besonderes einfallen lassen: Er verlangte eine Art Ariernachweis von den Fans. Da können die Politiker noch so laut vom Vereinigten Königreich faseln, der Fußballverband will die karierten Rockträger hinter den Hadrianswall verbannen. Die Römer wussten schon, warum sie die Mauer gebaut hatten.
Die Eintrittskarten für das Wembleyspiel wurden jedenfalls nur an Engländer verkauft. Wer eine schottische Adresse oder einen schottischen Akzent hatte, ging leer aus. Traf beides zu, erntete der Anrufer höhnisches Gelächter. Leute mit schottischem Namen, aber mit englischem Akzent und englischer Adresse hatten entfernte Aussichten auf ein Ticket. Wer jedoch einen englischen Namen und eine englische Adresse, aber einen schottischen Akzent hatte, war chancenlos.
Das wurde den Nordostengländern zum Verhängnis, denn für ungeübte Ohren klingen sie ein wenig wie Schotten. Zwar beteuerte der Verband, er habe das Telefonpersonal in Sonderkursen ausgebildet, damit sie die sprachlichen Nuancen heraushören können, aber im Zweifelsfall guckten die Aspiranten in die Röhre – es gab genug reinrassige Engländer, die Tickets wollten. Inzwischen befasst sich der Ausschuss gegen Rassendiskriminierung mit den Verbandsoberen, die offenbar einen Ball an der Stelle haben, an der bei anderen Leuten das Hirn sitzt.
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