: Multikulturelle Orthodoxie
■ Karens KochKunst - die Serie der taz hamburg für GenießerInnen. Teil 22: Entspricht einer modernen Ernährung: koschere Küche
Ist etwas "nicht ganz koscher", misstraut man dem Braten, den man da riecht: Zwei oft verwandte Redewendungen, die wie so viele dem Alltagsbereich der Küche entlehnt sind. Das Wissen, was der Begriff koscher genau bedeutet, ist mit der Shoa in Deutschland großenteils verloren gegangen.
Wenn deshalb heute Klassiker der jüdischen Küche als neue Attraktion bei uns Fuß fassen können – wie es derzeit mit den aus den USA kommenden Bagels geschieht – ist deren jüdischer Hintergrund oft unbekannt. Die Bagels beispielsweise sind mit den osteuropäischen Juden nach Amerika gewandert, wo das ehemalige Arme-Leute-Gebäck zum Kultstar der heutigen Fastfoodszene geworden ist. Die runden Kringel, die die Unendlichkeit des Lebens symbolisieren sollen, kommen entweder klassisch getoastet und mit Frischkäse und Räucherlachs belegt auf den Tisch oder in unzähligen süßen und herzhaften Varianten.
Die jüdische Küche ist etwas Besonderes: Durch die Übernahme der Spezialitäten verschiedenster Länderküchen ist sie multikulturell. Die Bandbreite der Gerichte umfasst die für Osteuropa typische Rote-Beete-Suppe Borschtsch genauso wie die arabisch-jüdische Falafel. Multikulti ist heute angesagt wie noch nie, daher steigt das Interesse an jüdischen Rezepten und Kochbüchern.
Kern der jüdischen Küche ist die Kashrut, die jüdische Speisevorschrift. Die Regeln dafür stammen aus der Bibel und aus dem Talmud und legen genau fest, welche Lebensmittel genossen und welche vermieden werden sollen, wie etwas zubereitet wird und welche Speisen nicht kombiniert werden dürfen.
Nur das Fleisch weniger Tiere ist koscher: von jenen, die sowohl Spalthufer als auch Wiederkäuer sind. Fische sind nur zum Verzehr erlaubt, wenn sie sowohl Schuppen als auch Flossen haben. Damit sind beispielsweise Aasfresser wie Aale oder Raubtiere ausgeschlossen. Um koscher zu sein, müssen Tiere rituell geschlachtet werden, was ihnen den geringstmöglichen Schmerz zufügt. Ein Aspekt, der mit Blick auf moderne Massentiertransporte und -schlachtung koscheres Fleisch auch für Nicht-Juden interessant macht, ebenso wie die übrigen Lebensmittel auf der Koscher-Liste der deutschen Rabbinerkonferenz: Sie werden streng kontrolliert und enthalten wenige bis keine Zusatzstoffe und E-Nummern, da diese häufig mit der Ka-shrut kollidieren.
Auch die Regel, milchige und fleischige Produkte nur getrennt zuzubereiten und zu essen, macht aus moderner ernährungsphysiologischer Sicht Sinn, denn eine solche Ernährung schont den Magen vor Übersäuerung. AutorInnen jüdischer Kochbücher betonen, dass eine strikt koschere Küche selbst von vielen Juden nicht eingehalten wird und im eigenen Ermessen liegt. Ausflüge in diese Kochwelt sind jedoch empfehlenswert, weil sie köstlich und zugleich gesund sind.
Klassische jüdische Rezepte und Hintergrundinfos in: Rachel Heuberger und Regina Schneider: Koscher kochen, Eichborn Verlag, 142 Seiten, 39,80 Mark; koschere Rezepte aus aller Welt: Moshe Ben Gideon: Alles koscher, Hirzel Verlag, 184 Seiten, 38 Mark; koschere Lebensmittel in Hamburg: SH Almagor, Schäferkampsallee 29, Montag bis Freitag, 9.30 bis 13 Uhr, Montag bis Donnerstag 14.30-17 Uhr; im Web kann man koschere Lebensmittel unter www.hagalil.com/koscher/index.htm bestellen, unter www.talmud.de gibt es Infos zur Kashrut.
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