Der Chirurg

■ Das theater 89 zeigt Christoph Heins Stück über den Arzt Ferdinand Sauerbruch

Ist der Wagen da?“, fragt der alte Arzt. Der Wagen ist nicht da, der Arzt ist zu alt, um noch zu operieren. In der Klinik wartet längst niemand mehr auf ihn, und später wird ihn der Minister persönlich entlassen müssen. Er war der berühmteste deutsche Arzt überhaupt: der Chirurg Ferdinand Sauerbruch (1875–1951).

Wer einmal ein Gott war, der kann nicht mehr an die eigene Sterblichkeit glauben. Christoph Hein hat ein Stück über Sauerbruch geschrieben, oder besser: sich von ihm zu einem Stück inspirieren lassen. Im Februar 1999 wurde es in Düsseldorf uraufgeführt. Nun spielt es das Theater 89 in einer Inszenierung von Hans-Joachim Frank. „Bruch“ heißt es, wie seine Hauptfigur. Aber es soll eben auch um Brüche in den Biografien von Menschen gehen, die so radikal sind, dass sie die Menschen daran hindern zu begreifen, dass ihre Zeit vorüber ist.

Den Bruch spielt in Berlin Ekkehard Schall, der einmal zu den berühmtesten Schauspielern der DDR gehörte, aber seit 1991 kaum noch auf der Bühne steht. Diese Besetzung besticht zunächst durch ihre biografische Plausibilität. Und mit ein bisschen Mut hätte der Abend vielleicht zu einem Ereignis werden können. Aber Schall will keine echten Brüche, sondern der große Schauspieler bleiben, der er einmal gewesen ist. Er spielt, als ginge es darum, den berühmten Chirurgen als fallende Eiche zu porträtieren. Fabuliert als Bruch so enthusiastisch über eine Klinik, zu deren Bau irgendein Investmentbetrüger seinen berühmten Namen missbrauchen will, als hoffe er, dass auch für ihn noch mal ein Theater gebaut würde. Das ist sehr schade, und es werden dann auch schnell die Schwächen des Stückes deutlich, das sich der Herausforderung seines Stoffes gar nicht stellt und bis zum medizinischen Fachvokabular detailgetreu am historischen Vorbild klebt.

Die Inszenierung ist ziemlich hausbacken. Alte Plakate mit DDR-Parolen rahmen ohne Zusammenhang mit der Aufführung die Bühne von Anne-Kathrin Hendel ein, auf der ein hochherrschaftliches Wohnzimmer mit Galerie angedeutet ist. Ein Riesenbücherschrank ist völlig bücherlos. Bloß ein gerahmtes Portät von Bruch alias Schall aus besseren Tagen hängt da. Dahinter ein Tresor, vollgestopft mit wertlosen Scheinen, die einst berühmte Patienten zahlten. Jetzt gibt es eine andere Währung, und bei Professor Bruch herrscht Mangel allenthalben. Die alte Haushälterin (Simone Frost) hinkt, der Freund und Hausarzt (Johannes Sperling) regt sich immer schrecklich auf, und das Kleid der jungen Frau (Antje Lindemann), die später sterben wird, ist rot wie Blut. Esther Slevogt

Heute, 20 Uhr, Hebbel-Theater, Stresemannstraße 29. Weitere Aufführungen: 25.–27. November