: Gefahr einer staatlichen Zensur durch die Hintertür
■ Presserat und Journalistenverband warnen vor einem neuem Datenschutzgesetz, das die Zunft in ihrem Zeugnisverweigerungsrecht gefährdet und die Pressefreiheit einschränkt
Berlin (taz) – Der Deutsche Presserat meldet sich gemeinhin dann zu Wort, wenn Journalisten übers Ziel hinausschießen, Fotos klauen oder falsch zitieren. Die Rügen der strengen Kontrolleure sind gefürchtet, übertriebenen Lobbyismus für die Interessen der Zunft kann man ihnen sicher nicht vorwerfen. Da ist es schon bemerkenswerter, dass der Presserat jetzt vor einer Einschränkung der Pressefreiheit warnt – und das „mit allen zu Gebote stehenden Mitteln“.
Auf der Bundespressekonferenz in Berlin wird der Presserat heute versuchen, auf die Gefahren aufmerksam zu machen, die durch die geplante Änderung des Bundesdatenschutzgesetzes drohen. Nach dem Gesetzentwurf, der wahrscheinlich bereits Anfang Dezember vom Bundeskabinett verabschiedet wird, sollen in Zukunft alle größeren Redaktionen verpflichtet werden, einen eigenen Datenschutzbeauftragten einzustellen, der die Kollegen bei der Recherche kontrollieren soll.
Für besonders problematisch hält der Presserat außerdem, dass Journalisten verpflichtet werden sollen, jedermann Auskunft zu geben über die personenbezogenen Daten, die sie gesammelt haben. Mit einem solchen Anspruch auf Auskunft über Unterlagen in Redaktionen und Archiven könne der Informanten- und Quellenschutz nicht mehr gewährleistet werden. Das Zeugnisverweigerungsrecht der Journalisten würde gefährdet, sogar vor „staatlicher Zensur durch die Hintertür“ warnt der Presserat. Denn in Zweifelsfällen dürfte sich der redaktionelle Datenschutzbeauftragte an die zuständigen Aufsichtsbehörden wenden. „Damit würden staatliche Stellen Einblick in bislang geschütztes journalistisches Material erlangen“, heißt es in einer vorab veröffentlichten Erklärung. Unterstützt wird der Presserat vom Deutschen Journalistenverband.
Dessen Justitiar Benno Pöppelmann erklärte gestern, auch er halte von den bisher bekannten Gesetzesänderungen wenig: „Das bisher gültige Medienprivileg reicht völlig aus.“ Die Argumentation der Bundesregierung, sie müsse strengere Vorschriften auf Grund europäischer Richtlinien erlassen, könne man so nicht gelten lassen. Dies habe der Münchener Verfassungs- und Europarechtler Peter Lerche in einem Gutachten festgestellt. Lerche bestätigte gegenüber der taz, es sei „sehr zweifelhaft“, inwieweit Brüssel in dieser Frage überhaupt Kompetenzen habe. Lukas Wallraff
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