: SPD und Stadtwerke fordern Fonds für Rückstellungen
■ Steuerfreie Milliarden für den Abbau von Atomanlagen sollen jederzeit verfügbar sein
Berlin (taz) – 33 Bundestagsabgeordnete der SPD haben einen Gesetzentwurf vorgelegt, der die Rückstellungen der Atomwirtschaft in einen öffentlich-rechtlichen Fonds überführen soll. Damit soll sichergestellt werden, dass die für Stilllegung und Abbau alter Atomkraftwerke notwendigen Gelder bei Bedarf auch verfügbar sind – es würde vermieden, dass die Kosten am Steuerzahler hängen bleiben, wenn ein Betreiber das Geld in den Sand setzt. Zwar sind die Atomkonzerne schon heute verpflichtet, Rückstellungen für den teuren Abbau ihrer Anlagen zu bilden. Doch die Verwendung des Geldes steht ihnen bis zum Zeitpunkt der Stilllegung frei. So konnten die Stromversorger sich mit diesen steuerlich subventionierten Geldern, die sich inzwischen auf 70 Milliarden Mark aufsummieren, in die Abfallwirtschaft, Telekommunikation, Wasserwirtschaft und Rüstungsindustrie einkaufen – in durchaus riskante Geschäfte also. Deshalb ist fraglich, ob es überhaupt verfügbar ist, wenn es für den teuren Abbau der Altanlagen benötigt wird.
Auch der Bundesfinanzhof hat in seiner Rechtsprechung immer wieder betont, dass ein Zugriff auf die Rückstellungen zum gegebenen Zeitpunkt gewährleistet sein muss und dass keine Forderungen Dritter vorliegen dürfen. Nun soll das Gesetz nachgebessert werden – eine Forderung übrigens, die Greenpeace schon lange erhoben hatte. Der Bundestagsabgeordnete Hermann Scheer, einer der Initiatoren des Gesetzentwurfs, äußerte sich gestern in Berlin optimistisch, dass es im Bundestag eine Mehrheit dafür geben werde.
Parallel zu dem SPD-Vorstoß wenden sich auch zehn Stadtwerke gegen den bisher praktizierten Umgang mit den Rückstellungen. Die Steuerbefreiung für diese Gelder sei eine wettbewerbsverfälschende Beihilfe, die nicht EU-konform sei. Daher stellten die Stadtwerke einen Antrag an die EU-Kommission, Ermittlungen gegen die Bundesrepublik Deutschland aufzunehmen. „Wir brauchen faire Rahmenbedingungen im Wettbewerb“, sagt der Geschäftsführer der Stadtwerke Schwäbisch Hall, Johannes van Bergen.
Wenn die Kommission die Steuerbefreiung der Rücklagen als wettbewerbsverzerrend anerkennt und unterbindet, wird die Atomwirtschaft die jahrelangen steuerlichen Subventionen sogar komplett zurückzahlen müssen – und nicht nur in dem Rahmen, wie er bereits von Finanzminister Hans Eichel (SPD) angelegt war. Statt auf 16,7 Milliarden Mark belauffen sich die Nachforderungen an die Atomkraftwerksbetreiber dann auf rund 30 Milliarden Mark.
Bernward Janzing
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