piwik no script img

Solo für Spachtel

■ Schrille Monotonie säen, bunte Melancholie ernten: Die Galerie Barbara Weiss zeigt Installationen von Marijke van Warmerdam

Gute Zeiten, schlechte Zeiten. Entweder, oder: Entweder man kratzt in Marijke van Warmerdams Ausstellung in der Galerie Barbara Weiss gleich wieder die Kurve.Oder man lässt sich schon im allerersten Moment von ihrem Solo für Spachtel und dem Rattern zweier 16-mm-Projektoren meditativ einfangen.

Es ist nur wenige Jahre her, da hat die 40-jährige niederländische Künstlerin eine ganze Galerie mit pastellbunten Plakaten tapeziert, auf denen in Englisch immer wieder nur „Gute Tage. Schlechte Tage“ zu lesen war. So ist das im Leben wie mit dem Wetter: Mal hat es ein Hoch, dann wieder ein Tief. Entweder man wartet dann auf das x-te Frühlingserwachen, oder aber man übt sich wie Marijke van Warmerdam in relativer Gelassenheit. Ihr Rezept ist die Wiederholung wie das OM des Yogis oder die Schleife ohne Anfang und Ende.

Spektakulär ist das nur bedingt. Beispielsweise, wenn Reisende im U-Bahn-Untergrund des Amsterdamer Flughafens auf einer werbeflächengroßen Leinwand rund um die Uhr von einem Mann unter der Dusche berieselt werden. In dem vom Durchgangsverkehr isolierten Galerieraum sind die Installationen der Künstlerin eher in der Aura individueller Stimmungen gefangen. Elegant ist die roséfarbene Marmorplatte, schick die kleine violette, darauf drappierte CD-Anlage. Absolut schräg aber sind die auf dem Tonträger an einer Wand lang schrammenden Spachtel.

Unwillkürlich sucht das Ohr Halt an der Bachkantate, die leise im Hintergrund der CD aus einem Klavier plätschert. Nach einer Weile klingt das Kratzen der Spachtel beinahe wie der Ansatz zu einem dilettantischen Violinenkonzert. Dazu passt auch die an der gegenüberliegenden Wand hängende riesige Farbfotografie etlicher Schwäne in einem blauen Meer aus Wasser und Himmel. Mal paddeln sie ruhig über die See, mal tauchen sie in die Wolken am Himmel ein und wieder auf.

Die documenta-X-Teilnehmerin van Warmerdam scheint über ihre „Skytypers“, Düsenjets, die in Kassel im Formationsflug links im Himmelsblau der Kamera auf- und rechts wieder abtauchten, ins Träumen geraten zu sein. Ihre Schwäne jetzt sind die letzte Versuchung, seit es Schwanensee gibt. Den Takt geben dabei die lautstarken Filmprojektoren in den beiden anderen Räumen der Galerie an. Unter Plexiglas installiert geben sie vor, selbst Vitrinenobjekt zu sein. Ihre elektrisch betriebenen Filmkurbeln rattern, was die Mechanik hergibt, die Linsen werfen stumme Bilder wahlweise auf ein etwa DIN-A6 großes weißes Papier oder eine aufrollbare Leinwand. Auf der kleinen Projektionsfläche bewegt sich eine junge Frau mit den Armen und dem Oberkörper wie eine Ballerina durch breite, dunkelblaue Stofflamellen, die sich um sie herum an einem Reif aufgehängt drehen wie die Filmrolle auf dem Projektor.

Das hat was vom Menschen im Labyrinth des Perpetuum mobile. Im zweiten Stummfilm föhnt sich eine Blondine kopfüber die trockenen Haare. Am schönsten sind die Momente, in denen der Föhn nicht zu sehen ist und scheinbar ein unsichtbares Wesen sich seinen Weg durch die Mähne bahnt wie die Frau im anderen Film durch die Stoffbahnen.

Bleibt ein Wäschekorb, der vor lauter weißen Pappschildern, auf denen in verschiedenen Sprachen das Wort „und“ zu lesen ist, überquillt. Eine ahnungslose Putzfrau könnte hier auf die Idee kommen, Ordnung zu schaffen, die Unds und Ands und Ets einzusammeln und in den Korb zurückzulegen. Manch einer denkt vielleicht auch, die CD mit der Kantate habe einen dicken Kratzer, und fragt: Das soll nun Kunst sein? Der hat dann eben einen schlechten Tag. Tatsächlich aber sät Marijke van Warmerdam mit ihren Installationen schrille Monotonie. Man selbst erntet poppige Melancholie. Petra Welzel ‚/B‘ Bis 18. 12., Galerie B. Weiss, Potsdamer Str. 93, Tiergarten, Di. – Fr. 12 – 18, Sa.11 – 16 Uhr

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen