Ein deutsches Trauerspiel“

Mit Kraft-Wärme-Kopplung holt man aus einem Liter Öl oder einem Kubikmeter Erdgas doppelt so viel Nutzenergie wie mit herkömmlichen Methoden  ■   Von Bernward Janzing

Kraft-Wärme-Kopplung ist eine Technik der Zukunft – sie unterstützt Atomausstieg, Klimaschutz und Beschäftigung

Berlin (taz) – Deutschland ist beim Thema Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) ein Entwicklungsland. Dänemark, Finnland, Österreich und die Niederlande sind schon deutlich weiter. „Ein deutsches Trauerspiel“ nennt dies der frühere Atommanager Professor Klaus Traube. Gemeinsam mit zwei weiteren Autoren hat er gerade im Auftrag der Hans-Böckler-Stiftung eine Studie über KWK in Deutschland abgeschlossen.

Wo in Zukunft fossile Energien genutzt werden, ist die Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) zweifellos die sinnvollste Lösung. Denn diese Technik bringt dreifachen Gewinn: Sie kann in Deutschland den Atomausstieg unterstützen, den Klimaschutz vorantreiben und zugleich Arbeitsplätze schaffen. Und dennoch ist KWK im deutschen Energiemix nur eine Randerscheinung.

Die Studie der Böckler-Stiftung hat aktuelle Brisanz, denn mit der Marktliberalisierung ist die ohnehin spärlich vorhandene KWK auch noch gefährdet. Traube spricht von „geradezu katastrophalen Auswirkungen“. Aufgrund von Kraftwerksüberkapazitäten wird der Strom derzeit zu Kampfpreisen an Großabnehmer abgegeben. Viele der umweltfreundlichen Kraftwerke, die großenteils im Besitz von Stadtwerken sind, sind damit nicht mehr rentabel. Daran ändert auch die jüngste Entscheidung der Bundesregierung, Kohle-KWK-Anlagen einen Bonus auf den Strompreis zu gewähren, nur wenig. Denn nur wenige Stadtwerke erhalten diesen Bonus, und Gaskraftwerke, die unter Klimaschutzaspekten am sinnvollsten unter allen fossilen Energien sind, sind gänzlich ausgeschlossen.

Als Öko-Kraftwerke gelten KWK-Anlagen, weil sie nur 10 bis 15 Prozent der eingesetzten Energie als Verluste in die Atmosphäre blasen. Die klassischen Großkraftwerke hingegen vergeuden mehr als 60 Prozent ihrer Energie in Form von Abwärme – Kühltürme sind sichtbares Zeichen dieser Verschwendung. Anders ausgedrückt: KWK-Anlagen holen aus einem Kilogramm Kohle, einem Liter Öl oder einem Kubikmeter Gas doppelt so viel Nutzenergie heraus, wie die traditionellen Kraftwerke.

Dies geschieht, indem sie nicht nur Strom erzeugen, sondern zugleich Wärme für Wohnhäuser oder Industriebetriebe. Auf diesem Wege ließe sich in Deutschland der Verbrauch von Primärenergie (also Kohle, Gas, Öl und Uran) um 15 bis 20 Prozent senken – dies ist mehr als der Anteil der Atomkraft in Deutschland.

Trotzdem war schon vor der Marktliberalisierung KWK-Strom in Deutschland nie der große Renner. Während im atomstromfreien Dänemark 50 Prozent des Stroms aus Kraft-Wärme-Kopplung stammen, sind es in Deutschland gerade zehn. Auch die Niederlande (40 Prozent KWK), Finnland (31 Prozent), und Österreich (26 Prozent) sind weit voraus.

Woran liegt's? Und vor allem: Wie kann Deutschland aufholen? Diese Fragen versuchten die WissenschaftlerInnen Lutz Mez und Annette Piening von der Freien Universität Berlin zusammen mit Klaus Traube zu beantworten.

Ergebnis: Wesentlichen Anteil an der Blockade haben die Stromversorger. Sie bieten den Industriebetrieben, die KWK sinnvoll nutzen könnten, kaum tragbare Konditionen für den Bezug von Zusatz- und Reservestrom, sowie für die Vergütung von Überschussstrom. Zudem würden KWK-Anlagen, so Autor Traube, von vielen potentiellen Betreibern als „unnötiger Aufwand“ angesehen – ein Informationsdefizit.

Die europäischen Vorreiter hatten dagegen wirkungsvolle Konzepte: In Österreich und den Niederlanden gab es Fördergelder für KWK, in Finnland brachte eine CO2-Steuer die effizienten Kraftwerke voran (weil diese davon naturgemäß weniger bezahlen müssen als Energieverschwender), und in Dänemark gibt es ein Gesetz, das alle Heizwerke mit mehr als einem Megawatt Leistung seit 1998 auf KWK umgestellt sein müssen. In den Niederlanden wurde eine Agentur gegründet, die über KWK informiert, den Interessenten Kontakte vermittelt und Fachpersonal ausbildet.

Nicht nur die Umwelt, auch der Arbeitsmarkt profitiert von KWK. So bilanziert die Böckler-Studie „erhebliche Beschäftigungseffekte“ in den Sparten Maschinen- und Anlagenbau sowie in der Elekroindustrie. Auch das Installations- und Baugewerbe profitiere, heißt es. Obwohl es in den bisherigen Großkraftwerken parallel zu einem Rückgang der Arbeitskräfte käme, ergeben sich bei einer Investitionssumme von einer Milliarde Mark netto zwischen 10.500 und 13.600 neue Arbeitsplätze.

Aus diesem Grund haben Wirtschafts- und Umweltministerium in den vergangenen Wochen einen Weg gesucht, die Kraft-Wärme-Kopplung im liberalisierten Markt zu retten. Das Ergebnis: Unter bestimmten Bedingungen erhalten KWK-Anlagen einen Aufschlag auf den Marktpreis des Stromes. Doch die Voraussetzungen sind derart eng gefasst, dass die meisten Betreiber leer ausgehen werden. KWK-Anteile wie in Dänemark oder den Niederlanden sind damit noch nicht erreichbar.