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Noch so schön?

Geht es nach den Medien, sind Frauen über vierzig sexy wie nie zuvor – und zugleich völlig abgemeiert auf dem Partnerschaftsmarkt. Wer das mittlere Alter erreicht, wird mit zweideutigen Botschaften zugemüllt. Statt glaubwürdiger Rollenbilder gibt es Mutmachbücher und Jammergesänge. Eine Geschichte aus der Mitte des Lebens Von Barbara Dribbusch

Rene Russo gehört zu den neuen Hoffnungsträgerinnen. Schön ist sie und verführt Pierce Brosnan alias Thomas Crown im gleichnamigen Hollywoodstreifen. Vor allem aber ist sie 45 Jahre alt, und dieses Alter dient neuerdings als Werbeargument. „Schaut her, die fabelhaften Vierzigerinnen kommen“, jubelte ein US-Magazin und hievte die glattbelichtete Aktrice aufs Titelblatt.

Mutmachschauspielerinnen wie die Russo gehören auch hier zum Damenprogramm. Die Schauspielerin Iris Berben, bald fünfzig Jahre alt, erklärte, dass Frauen „keine Panik bekommen müssen, wenn sie die Vierzig überschreiten“. Seitdem muss sie in jedem Interview die Frage beantworten, ob sie geliftet ist oder nicht. Der Schauspielerin Hannelore Elsner geht es nicht viel anders: „Furchtbar, trampelt der jetzt auch auf meinem Alter herum!“, lächelte sie unlängst ebenso charmant wie vernichtend ins Publikum, als sich der jungsche Moderator mit dem üblichen Sprüchlein herangewanzt hatte: Welch bekanntes Vorbild sie doch sei, über fünfzig und noch so schön!

Es gibt offenbar ein Problem mit den mittelalten Frauen, genauer mit dem Körper dieser Frauen. Wobei nicht klar ist, ob das Problem eigentlich bei den Frauen oder eher bei den Männern liegt. Tatsache ist: Die vierzig- und fünfzigjährigen Frauen sind noch da, es werden immer mehr, und für die Erotik dieser Frauen mangelt es an glaubwürdigen Rollenbildern. Stattdessen müssen sie sich jetzt in einer Art Wackelbild selbst suchen: Sind sie die starken Klassefrauen, schön durch Erfahrung und unabhängig von den Männern, die ihnen selbstverständlich zu Füßen liegen? Oder sind es bemitleidenswerte Kreaturen, die im Fitnessstudio verzweifelt gegen den Altersprozess kämpfen und dringend via Kontaktanzeige einen Freund suchen?

Doppelbödige Botschaften ziehen sich durch Ratgeberbücher, Presseberichte und Essays – und verstärken die Unsicherheit.

Die australische Feministin Germaine Greer plauderte einst über freie Liebe und aggressiven Sex, was deshalb gut ankam, weil die Greer schön war. Als sie die Fünfzig überschritten hatte, entschloss sie sich zum Seitenwechsel. Für ein Titelbild ließ sie sich nackt ablichten, die ergrauten Haare ins Gesicht fallend, eine Katze im Arm – ganz die Hexe. Sie sei jetzt frei von ihrer Sucht nach männlicher Bewunderung, schrieb sie damals, und könne tiefe Gefühle empfinden „angesichts eines Schmetterlings, der feucht und knittrig aus der Raupenhülle geschlüpft ist und zum ersten Flug zwischen den Brombeersträuchern ansetzt“. Schmetterling! Verdächtig, verdächtig.

Danach verliebte sich die Greer in einen sehr viel jüngeren Mann. Sie sei doch sehr empfänglich gegenüber Jungs, bei denen „das Sperma wie Wasser aus dem Hahn fließt“, schockte sie jetzt in einem Fernsehinterview, „nun weiß ich nicht mehr, wo ich stehe“. Vielen Frauen geht es genauso. Nach neuem Halt wird fieberhaft gesucht– oft kommen neue Lebenslügen dabei heraus.

Wenden wir alles einfach ins Positive! lautet ein Versuch: „Endlich über vierzig! Der reifen Frau gehört die Welt“, behauptet die Autorin Susanne Kubelka. Alles kein Problem mit den Falten. Schönheit kommt von innen. Reife Frauen überzeugten durch ihre Ausstrahlung.

Reif! Das Wort klingt nach fetter Hautcreme und männerloser Abendgestaltung. Neuere Ratgeber kommen deshalb vorsichtshalber frischer daher: „Powerfrauen – Die neuen Vierzigjährigen“, heißt ein Titel. „Frauen im Aufwind“, jubelt ein Ratgeber, auf dessen Cover eine mittelalte Frau einen Strohhut festhält, um den frischen Wind gewissermaßen optisch herüberzubringen.

Wenn Strohhüte auftauchen oder ein Meereshintergrund schimmert auf dem Buchdeckel eines Frauenratgebers, dann ist Vorsicht geboten. Die sensible mittelalte Leserin ahnt: Hier geht es um seelische Abfindung. Sex weg, dafür innere Werte, Einklang mit der Natur! Auch Hiltrud Schröder wurde vorzugsweise im Kreise ihrer Hunde und Pferde abgelichtet, nachdem Gerhard sie verlassen hatte.

Die Boulevardblätter bringen dazu passend die immer gleichen Storys über Prominente, die ihre jungen Zweitfrauen im Ganzbildfoto („Sie hat mir ein neues Leben gegeben“) vorweisen wie ein schickes neues Auto. Die entsorgte Ex ist nur noch im Passbildformat mit Altersangabe eingeklinkt.

Der mediale Auftritt der mittleren Altersgruppe in den Kontaktanzeigen macht noch mehr beklommen: Spaltenweise suchen Akademikerinnen „Ende vierzig, jünger aussehend, mit Liebe zu Literatur, Theater und Toskana“ via Kontaktanzeigen den „humorvollen, gebildeten Lebenspartner“, „weil zu zweit alles mehr Spaß macht“. Der Eindruck eines Überangebots ist nicht von der Hand zu weisen. Das Klischee folgt prompt – und wandert durch alle Frauenstammtische: „Mal ehrlich, Männer wollen doch nur Jüngere!“

Vertieft wird die düstere Selbstbetrachtung durch so genannte wissenschaftlich belegte Forschungsergebnisse, etwa des US-amerikanischen Psychologen David Busse im Magazin Focus. Danach sind ältere Frauen und jüngere statuslose Männer die Verlierer auf dem Partnerschaftsmarkt. Was alles der reinen Natur geschuldet ist, so Busse, nach der sich Männer und Frauen halt immer den evolutionsmäßig günstigen Partner suchen. Und da hätten ältere Frauen, leider, schlechte Chancen. Was evolutionsmäßig gut daran sein soll, wenn potenzgeschwächte Herren im Großvateralter junge Frauen im Tochteralter vögeln, darüber hat sich noch kein Anthropologe Gedanken gemacht.

Doch Männerschelte oder übertriebenes Selbstlob bringen nichts, wenn Frauen im mittleren Alter das eine wollen: Liebe und Erotik. Dazu braucht frau wohl einen Partner. Neuere Ratgeber versuchen daher, das Dilemma pragmatisch zu lösen, und mahnen zu neuer Bescheidenheit. „Nimm die Männer, wie sie sind – es gibt keine anderen“ heißt ein jetzt erschienenes Buch der Autorinnen Regine Schneider und Bärbel Raulf zur „Partnersuche in der Lebensmitte“. „Die guten Männer stehen oft in der zweiten Reihe“, empfehlen die beiden Autorinnen und raten der mittelalten Singlefrau, im Kreis der guten Kumpels noch mal genauer nachzuschauen: „Plötzlich stellen wir fest, Klaus oder Sven oder Kai ist eigentlich der ideale Mann. Haben wir doch jahrelang gedacht, er ist zwar nett, ein guter Freund, aber für mehr ist er einfach zu langweilig, unauffällig, temperamentlos. Plötzlich entdecken wir, dass seine positive Lebenseinstellung, seine ausgeglichene Art uns gut tun.“

Ausgeglichene Art! Heißt das, die Frau ab vierzig kriegt sie einfach nicht mehr, die tollen Typen mit dem gefährlichen Temperament? Oder heißt es: Frauen, überdenkt eure Rollenbilder, überdenkt das Marktwertsystem! Schon wieder eine doppelbödige Botschaft.

„Es gibt einsame Männer ohne Ende“, hat Sabine Schulte (Name geändert) festgestellt. Die 45-jährige Übersetzerin hat über eine telefonische Mailboxpartnervermittlung einen Partner gesucht und am Ende gefunden. Fünfhundert Nachrichten erhielt sie in den ersten Wochen auf ihre Mailbox. „Die Männer stellen sich oft als geradezu minderwertig dar. Einer sagte: Ich bin der Dani, sehe eigentlich ganz gut aus, bin aber leider aus Sachsen.“ Offenbar haben auch Männer ein Rollenproblem.

Aber ein anderes als die Frauen. Für Männer gebe es Rollenbilder für das jüngere und das mittlere Alter, die jeweils erotische Ausstrahlung transportieren, sagt die US-Autorin Susan Sontag. Frauen aber müssen ewig jung sein. Oder ewig alt. Es gibt kaum eine Ästhetik, die Frauen auch mit Augenfalten und Tränensäcken eine Erotik zugesteht. Diese Leerstelle wird erst langsam gefüllt. Durch die Wirklichkeit.

Partnervermittlerin Christa Appelt aus Berlin verkuppelt von Berufs wegen Träume mit dem Leben. Die älteren Akademikerinnen hätten oft sehr hohe Ansprüche, erklärt sie, die Männer hingegen stellten sich eine junge Traumfrau vor. Beide Seiten müssten erkennen, dass solche Traumpartner nicht zu finden seien. „Ich sage den Herren dann: Schauen Sie sich die Frau doch erst mal an, die ist so lebendig!“

Einige Frauen sind noch lebendiger: Sie haben den Spieß umgedreht und das Marktwertsystem gewissermaßen nach vorne durchbrochen. Fünfzigjährige Hamburger Geschäftsfrauen, die sich auf Jamaika einen halb so alten Rasta als Liebhaber angeln und durchfüttern, werden an manchen Frauenabenden zu neuen Heldinnen des Postfeminismus verklärt. „Klar, würde ich auch machen, warum nicht“, behauptet trotzig die Freundin, die doch immer nur mit feingeistigen Neurotikern herumgezogen ist. Ob ihr jemand glaubt, ist gleich.

Wo nichts mehr selbstverständlich ist, wird das Leben zum Experiment.

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