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Gottesscheune, dörflich

Das Für und Wider um den Bau einer Kirche spaltet die Ortschaft Holm bei Wedel. Am 1. Advent soll die Entscheidung fallen  ■ Von Michael Rahn

Passt eine neue Kirche in unsere Zeit? Über diese Fragen streiten sich zahlreiche Bürger des 2900 Seelen zählenden Dorfes Holm (Kreis Pinneberg). Die Entscheidung für oder gegen das Gotteshaus spaltet die Gemeinde. Vor allem Kritiker des Baus werden geschnitten. Gespannt warten jetzt alle auf die Grundsatzentscheidung, die die Bürger am ersten Advent (28. November) selbst treffen müssen.

Fünf Jahre ist es her, da flog der künftige Pastor der Gemeinde, Rolf Wassermann, mit einem Sportflugzeug über den Ort. Das Dorf faszinierte ihn aus der Vogelperspektive; nur ein Kirchturm fehlte. Den hatten sich die Holmer von Alters her nie leisten können, daher pilgerten sie regelmäßig in die nahe gelegene Kirche in Wedel.

Doch was nicht ist, kann ja noch werden, dachte sich Wassermann. Bereits bei seinem Antrittsbesuch bei Bürgermeister Walter Rißler (CDU) fand er Unterstützung. Auch dessen Stellvertreter Helmut Werner (SPD) begeisterte sich für das Projekt. Einstimmig entschied der Gemeinderat 1996, der Kirche eine brach liegende Fläche im Dorfkern zur Verfügung zu stellen. Bürgermeister Rißler schwärmt: „Das ist städtebaulich unsere große Chance.“ Und Helmut Werner sieht das ebenso: „Das soll unser kultureller Mittelpunkt werden.“ Eine „Gottesscheune“ solle es werden, „die dörflich geprägt ist“, sagt der Pastor.

Doch Mitte diesen Jahres meldeten sich Kritiker zu Wort und beklagten, dass die Gemeinde mit günstigen Grundstückskosten den Bau subventioniere. Sie sammelten Unterschriften, um über den geplanten Grundstücksverkauf abzustimmen. „Natürlich wäre so eine Kirche schön“, so einer der Kritiker, Rentner Klaus Billerbeck. Doch wie viele andere bezweifelt er, ob in dieser Zeit mit viel Armut in und außerhalb des Landes ein millionenteurer Neubau sein muss und überhaupt finanziert werden kann.

„Für mich ist die Finanzjongliererei des Kirchbauvereins nicht nachvollziehbar“, meint der gelernte Banker und langjährige Immobilienmakler Claus Repenning. Er rechnet mit drei Millionen Mark Kosten, die durch die Spenden – bislang liegen Zusagen in Höhe von 600.000 Mark vor – und den geplanten Verkauf des alten Gemeindezentrums – geschätzt gut eine Million Mark – nicht gedeckt seien.

Das Gemeindehaus mit einem Raum für Gottesdienste und dem Kindergarten möchten viele nicht missen. Edith Billerbek ist eine von ihnen, die seit vielen Jahren ehrenamtlich für die Kirche aktiv ist: „Wir haben, was wir brauchen“, sagt sie. Und auch ein Gotteshaus mit einem Glockenturm gebe es. „In der Kapelle auf dem Friedhof sind viele alte Holmer getauft und getraut worden“, erzählt sie. Auch der Pastor kann sich ein kirchliches Leben ohne Neubau vorstellen: „Dann müsste der Gottesdienstraum sakraler gestaltet werden“. Die kleine Kapelle am Friedhof ist für ihn zu stark von Beerdigungen geprägt. Doch auch das ließe sich ändern.

Wassermanns Ziel im Falle einer Niederlage bei der Abstimmung: „Ich möchte dazu beitragen, wieder Ruhe ins Dorf zu bekommen“.

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