Kommentar: Kurzer Prozess
■ Warum Willkürrichter wie Schill nicht das Bild von Gerichten prägen dürfen
Der Mann sammelt Disziplinar- und Ermittlungsverfahren wie andere Ehrennadeln. Vermutlich erfüllen die ihn gleichermaßen mit Stolz. Schill, in die Rolle des „enfant terrible“ verliebt, wird jede Aufmerksamkeit, die ihm zuteil wird, als Erfolg in seinem Kampf gegen den moralischen Absturz dieser Gesellschaft feiern.
Löblich ist deshalb die ges-tern erklärte Strategie etlicher Juristen, ihn totzuschweigen und dadurch seiner politischen Kampagne den Boden zu entziehen. Löblich, aber zu spät. Schill dürfte in diesen Tagen bekannter sein als der Bürgermeister.
Wie erfolgreich seine Kam-pagne ist, zeigt sich gerade an den verhaltenen Reaktionen der Justiz. Schill hat bereits einen großen Fan-Club unter den Dumpfbacken dieser Stadt, denen zu gesellschaftlichen Problemen nicht mehr einfällt als der Ruf nach law and order. Schwer genug wird dem Amtsgerichtspräsidium Anfang der Woche die Entscheidung gefallen sein, Schill in die Ziviljustiz umzusetzen – und dafür öffentliche Schelte in Kauf zu nehmen.
Gerade deshalb sollten Richterkollegen denjenigen, die solche Entscheidungen zu fällen haben, den Rücken freihalten. Indem sie sich von diesem sogenannten Rechtsprecher distanzieren. Nicht nur leise am Kantinentisch, sondern lautstark in der Öffentlichkeit.
Anderenfalls prägt Schill das Bild verblendeter Willkürrichter, die frei nach politischer Couleur ein Urteil über alles und jeden abgeben können – ohne Kenntnis der Akten, aber in kurzem Prozess. Elke Spanner
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