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Kind, da geht man nicht hin“

■  taz-Serie „Neu in Berlin“ (5). Ingrid von Hagen findet Kreuzberg schmuddelig und die Leute irgendwie komisch. Aber sie geht soviel aus wie nie zuvor und isst sogar noch in der Nacht

Ingrid von Hagen, 65 Jahre alt, Geschäftsführerin der Deutschen Parlamentarischen Gesellschaft: Ich bin die Hausfrau dieses Hauses, der Vereinigung der Bundestags- und Landtagsabgeordneten. Wenn man das locker sagen will: dem Club der Abgeordneten. Die Parlamentarier können dieses Haus für Veranstaltungen jeder Art nutzen, weil sie ja hier in Berlin, früher in Bonn, kein eigenes Zuhause haben. Es gibt politische Gruppen, die bei uns tagen oder einfach Geburstag feiern. Wir haben einen außerordentlich guten Restaurationsbetrieb, der von den Abgeordneten sehr geschätzt wir, aber auch von der Lobby. Deshalb kommt ja auch die Lobby gerne zu uns ins Haus.

Bei uns sollen die Beziehungen quer durch die Parteien gepflegt werden. Das passiert, indem man abends in unserem Salon, in dem sich das Herzleben der Vereinigung abspielt, zwanglos zusammensitzt und diskutiert. Hier wird wichtige Politik gemacht. Dann, wenn keine Presse dabei ist. In Berlin sind wir in einem viermal so großen Haus wie in Bonn. Statt Villa am Rhein Palais an der Spree. Ich habe mich immer dagegen verwehrt, wenn man von Bonn als dem Bundesdorf geredet hat. Trotzdem finde ich es richtig, dass Berlin jetzt Regierungssitz ist. Ich will am Ende meiner Berufstätigkeit den guten Bonner Geist mit hierher bringen. Nämlich die persönliche Atmosphäre. Unser Haus soll für die Parlamentarier das Wohnzimmer in Berlin werden.

Die Stadt fasziniert mich wahnsinnig. Ich bin in den letzten Wochen so viel ausgegangen wie seit Jahren nicht mehr. Ich finde die Menschenvielfalt sehr komisch.

Mit meiner Tochter, die hier lebt, war ich einmal in Kreuzberg, im Freilichtkino am Mariannenplatz. In Kreuzberg kommt man sich wie im Orient vor. Als ich von Bonn wegfuhr, habe ich gehört, also Kreuzberg, da kannst du nicht allein hingehen, das ist viel zu gefährlich. Das ist natürlich überholt. Ich finde es dort höchst amüsant. Wohnen wollte ich da aber keineswegs, es ist ja auch alles ein bisschen schmuddelig.

Wir haben irgendwo in einer Kneipe gesessen, weil wir zu früh fürs Kino waren. Das war ein Lokal, das ich in Bonn sicher nicht besuchen würde. Aber die hatten dort eine nette, spritzige Bedienung. Ich bestellte mir einen Schnaps, weil mir ein bisschen übel war, und dann brachte sie mir auch noch ein Wasser zum Nachkippen. Etwas komisch aussehende Leute waren da. Am Tag darauf bin ich in Prenzlauer Berg gewesen. Meine Mutter hatte vorher gesagt: Kind, da geht man doch nicht hin. Aber ich fand das außerordentlich interessant.

Ein anderes Mal habe ich meine Schwägerin vom Flughafen abgeholt, und wir haben uns nachts um halb elf auf den Ku'damm gesetzt und etwas gegessen. So etwas würde man in Bonn nicht tun. Ich glaube trotzdem nicht, dass sich die Welt des Abgeordneten künftig mit der Welt des Berliners mischen wird. Wenn der Abgeordnete hier ist, hat er ja einen Zwölf- oder Sechzehnstundentag, der sich überwiegend im Rahmen des Bundestages abspielt. Es gibt Sitzungen, die bis nachts um zwölf gehen. Und am Wochenende fährt man nach Hause, weil man in der sitzungsfreien Woche seinen Wahlkreis bearbeiten muss. Aufgeschrieben von Anette Rollmann

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