Vorsicht: Bürgerkrieg!

■ Rainer Mielke hat sich einen Bunker in Schwachhausen gekauft. Auf dem Dach wohnt er. Den Rest wird er als Galerie nutzen

Wenn in Schwachhausen denn irgendwann mal ein Bürgerkrieg ausbrechen sollte, werden alle bei Rainer Mielke klingeln. Er wird dann sein Schlagzeug zur Seite räumen, den einen oder anderen Karton wegstellen und die Haustür erst wieder schließen, wenn auch der 580ste Schutzsuchende ein sicheres Plätzchen in seiner Wohnung gefunden hat. So viele haben ein Recht darauf, Rainer Mielkes Domizil an der Claußenstraße zu stürmen. Ob er will oder nicht. Denn Mielke wohnt in einem Bunker.

Aber Rainer Mielke will ja. Denn er ist ein netter Mensch, dem das Wohlbefinden seiner Nachbarschaft durchaus am Herzen liegt. Als er bei Bauarbeiten am Bunkerdach über Wochen den Presslufthammer in die Gehörgänge der AnwohnerInnen drückte, lud er sie zum versöhnenden Umtrunk in seine neues Haus ein. Alle waren beeindruckt: Weniger vom Bunker namens „F 38“, der seit 1943 klotzig grau in der Straße thront, als vielmehr von der 150 Quadratmeter großen Wohnung, die der 43-jährige Architekt auf dem Dach des Bunkers hatte bauen lassen und die über ein außen angebrachtes Treppenhaus erreichbar ist. Hier wohnt er nun seit Februar mit seiner Frau, thront unter buntem Wellblechdach auf dem Gipfel der Schwachhauser Welt und weiß unter sich drei fensterlose Stockwerke und 350 Quadratmeter Platz der bundesamtlichen Qualitätsstufe „Schutzklasse 3 für bürgerkriegsähnliche Situationen“. Was tun damit? – Rainer Mielke wird sie als Kunstgalerie nutzen. Am Wochenende hat er bereits die erste Ausstellung eröffnet. „Ist doch besser, als die Räume leer stehen zu lassen“.

Für private Zwecke umbauen darf er den Bunker nämlich nicht, weil es ihm die Vorbesitzer verboten haben. Fünf lange Jahre hat Mielke nämlich mit dem Innen- und Verteidigungsministerium verhandelt, ehe er sich Bunkerbesitzer nennen durfte – der erste seiner Art in Bremen. Die Auflage ist allerdings nicht unerheblich: Das Gebäude muss, wenn denn mal der Bürgerkrieg in Schwachhausen ausbricht, als Bunker benutzbar sein. Was die Verwendungsmöglichkeiten drastisch einschränkt.

Im Krieg suchten einige von Mielkes Nachbarn in dem Gebäude Schutz. Später tauschte hier, wie er beim Versöhnungsumtrunk erfuhr, so manches junge Paar in aller Dunkelheit die ersten Küsse aus. Und eine zeitlang hatten ein Möbel- und Antiquitätenhändler das Gebäude als Lager genutzt. Seitdem aber graute der gewaltige Kasten vor sich hin. Bis Rainer Mielke auf der Suche nach einer Wohnung in Schwachhausen die Oberfläche des Bunkers als Baugrund entdeckte und sich damit zugleich einen gigantischen Keller „mit jeder Menge Hobbyräumen“ einhandelte.

Eine benachbarte Kunsttherapeutin brachte die Mielkes auf die Idee, das Gebäude als Kunstort zu nutzen. Nur wenige Monate, nachdem dieser Gedanke durch das Mielkesche Dachgeschoss geisterte, haben die Mielkes 150 Einladungen an Interessierte verschickt, um auf die erste Vernissage aufmerksam zu machen. Für ein Paar, dass bis dahin zwar kunstinteressiert war, aber sich nicht gerade als ExpertInnen auf dem Gebiet verstand, ein mutiger Schritt. Durch Kontakte zum Bassumer Künstlerinnenhof „Die Höge“ sprach sich in der Kunstszene schnell herum, dass in Schwachhausen ein spektakulärer Ausstellungsraum entstanden war. Seitdem reißen die Anfragen bei Rainer Mielke nicht ab.

Die erste Ausstellung im „F 38“ aber bestreitet eine Hamburger Malerin. Die 62-jährige Karin Ohlsen zeigt Hinterglasmalereien. Sie zeigen Menschen, denen das Leben tiefe Spuren und Wunden zugefügt hat, deren Gesichter hinter Flecken und Schattierungen verschwunden sind. Außerdem zu sehen: Ölbilder in grauen Tönen, zum Teil mit Wachs überzogen, die norddeutsche Landschaften thematisieren und durch ihre schroffe Oberfläche und abstrakte Bildsprache eine eigentümliche Beziehung zur Bunkeratmosphäre eingehen.

Rainer Mielke plant, auch Konzerte, Modeschauen, Lesungen und Theaterstücke in seinen Bunker zu holen. Auf absehbare Zeit wird die Galerie zwei Tage in der Woche geöffnet sein. Es sei denn, Schwachhausen wird zum Bürgerkriegsschauplatz. Dann sind die Öffnungszeiten beim Bundesverteidigungsministerium zu erfragen.

Franco Zotta

Die Ausstellung ist bis Weihnachten zu sehen: Do 17-21 Uhr, So 11-17 Uhr. 34 699 84