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So sind wir eben“

■ Pop und Politik auf Jugoslawisch: No Smoking, die Band von Emir Kusturica, tritt heute und morgen in der Volksbühne auf

Einst waren sie die Monty Pythons des Balkan: Maliziös mokierten sie sich über die Mentalität ihrer Landsleute. Doch die war stärker. Der Werdegang der Band No Smoking, die im Original Zabranjeno Pusenje heißt, spiegelt exemplarisch die jüngste Geschichte Jugoslawiens – von der sozialistischen Gängelung bis zur ethnischen Trennung. Heute gibt es die Band deswegen gleich zwei Mal: in Sarajevo/Bosnien, und in Belgrad/Serbien.

In der bosnischen Hauptstadt wurde Zabranjeno Pusenje 1981 von Mitarbeitern der Radioshow „Hitparade der Surrealisten“ gegründet. Nenad Jankovic alias Dr. Nele Karajlic und Davor Sucic alias Sula Sexton, die beiden Köpfe der Band, trugen Jogginghosen, Jacketts mit zu breiten Revers und billige Sonnenbrillen – ganz so wie die Menschen in den Dörfern rund um Sarajevo. In ihren Songs beschrieben sie Charaktere, in denen sich das Publikum in ganz Jugoslawien ohne große Mühe wiedererkannte. Originalität und Sprüche wie „So sind wir eben“ – das kam gut an. Denn viele jugoslawische Jugendliche sahen sich als arme Provinzler am Rande des reichen Westeuropa. Reisen durften sie zwar trotz Sozialismus, konnten sich das aber auf Grund der Wechselkurse zumeist nicht leisten. Zabranjeno Pusenje kompensierten diese Kränkung mit Ironie. Ihre Show, die bald auch ins Fernsehen kam, füllte Hallen und brachte Rekord-Einschaltquoten. 1984 kam der erste Dämpfer. Auf einem Konzert hatte Nele das Ende eines Gitarrenverstärkers mit dem Satz „Uns ist der Marshall verreckt“ kommentiert. Die sozialistische Staatsmacht witterte einen Witz auf Kosten des 1980 verstorbenen Staatsgründers Marschall Tito: Zabranjeno Pusenje erhielten Absagen, ihr TV-Programm wurde abgesetzt, in Folge machte die Band im Underground weiter.

Als sie 1987 ihre TV-Arbeit wieder aufnehmen durfte – inzwischen war der junge, aufstrebende Filmregisseur Emir Kusturica als Bassist dazugekommen –, hatte sich die politische Lage radikal verändert: Statt Sprüchen von der Einheit der jugoslawischen Völker gab es plötzlich chauvinistische Töne. Spielte es früher keine Rolle, dass Nele Serbe, Sula Kroate und andere Mitglieder der Band Muslime waren, so änderte sich das im Frühjahr 1992, als serbische Truppen Sarajevo einkesselten. Wenig später tauchte Nele in Belgrad auf und erklärte, er sei vor dem muslimischen Terror in Bosnien geflohen. Der Rest der Band blieb in Sarajevo. Mitten im Krieg brachten sie die Kriegsausgabe der „Hitparade der Surrealisten“ heraus; und ohne Nele spielte man in Flüchtlingslagern im muslimischen Teil Bosniens. Ihre erste Nachkriegsproduktion, das Funpunk-Album „Eine Kaffeetasse zu viel“ erschien 1997, der Titel ist ein Seitenhieb gegen den einstigen Freund in Belgrad. Denn in Sarajevo und auch in Belgrad sind heute viele alte Freunde nicht gut auf Nele zu sprechen – wegen der Interviews, die er den dortigen staatlichen Medien gab und dem Umstand, dass er in Serbien einfach unter dem alten Namen Zabranjeno Pusenje weitermachte.

1997 erschien sein erstes Nachkriegsalbum „Ich bin nicht von hier“. Obwohl Nele seine Stücke immer noch in bosnischer Mundart singt, schlägt nun deutlich der Einfluss des serbischen Turbo-Folk durch, einer elektrisch verstärkten, mit Disco-Beats unterlegten Volksmusikvariante, die seit Beginn der nationalistischen Welle in Serbien immer mehr Hallen füllt. Wer Emir Kusturicas Film „Schwarze Katze, weißer Kater“ gesehen hat, kennt den Sound – die Musik stammt von Nele, der sich ganz offensichtlich dem Geschmack seines Belgrader Publikums angepasst hat.

Rüdiger Rossig

No Smoking: heute und morgen 22.30 Uhr in der Volksbühne. Jeweils um 19.30 Uhr: „Time Of The Gypsies“ von Emir Kusturica (25. 11.), Lesung von Alexander Tisma (26. 11.)

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