: Da hilft auch kein DJ mehr
■ Ironie ist, wenn man's trotzdem macht: Im Künstlerhaus Bethanien arbeiten sich Corinna Weidner und Erik Schmidt am Hipnessfaktor Mitte ab, Sabine Groß promotet „Artist Tools“
In Herford wurde das Deutschpopwunder losgetreten, damals in den Achtzigerjahren. Bernd Begemann kam von dort, auch Bernadette Hengst und Jochen Distelmeyer. Wozu das geführt hat, sieht man heute auf Viva. Kann die Kunst da mithalten? Vielleicht. Jedenfalls geben sich die ebenfalls aus Herford stammenden Erik Schmidt und Corinna Weidner mit ihrer Ausstellung „Einzel Gruppe Berlin“ im Künstlerhaus Bethanien redlich Mühe, den Glam der young german art für die späten Neunziger aufblitzen zu lassen – Wandbeschriftungen in cool Blue, lachende Werbeplakatgesichter und ein Video über den Hipnessfaktor von Mitte inklusive.
Dabei werden die Verstrickungen zwischen Kunstboom, Jungdynamik und Neoflauschigkeit souverän ausgespielt. Schon aus den Biografien der beiden 31-Jährigen kann man herauslesen, wie Netzwerke 1999 funktionieren. Corinna Weidner arbeitet für Prinz, demnächst wird ihre Story über die wichtigsten Kunstköpfe des neuen Millenniums erscheinen. Ihr Ausstellungspartner Schmidt gehört aber nicht dazu. Stattdessen hat sie in einem anderen Lifestyle-Heft über den Schick der Plattenbauten am Platz der Vereinten Nationen geschrieben. Dort wurde Schmidt als kreativer Urbanmensch in seinem Wohnatelier vorgestellt – stilgemäß, wie sie findet, denn Künstler sind eitel. Den Rahmen der Geschichte bilden Interieurfotos, auf denen der Künstler in kargem Ambiente posiert. Die Bilder passen zum Text, der Text zum Künstler, und der Künstler sieht aus wie ein Model für Schöner Wohnen.
Der Hochglanz des Kunstbetriebs gehört zum Konzept von Weidner und Schmidt. Im Bethanien nutzen sie das Studio III, um die Grenzen zwischen Kunst, Design und schlichter Eigenwerbung möglichst weitflächig zu verwischen. Die am Computer montierte Posterwand zeigt die zwei mit wechselnden Frisuren und weißen T-Shirts. Es sind Künstlerimages, wie von Jeff Koons produziert: Das Lächeln erinnert an frühe Wham!-Videos, die Aufmachung an GAP und Calvin Klein; die Fotos hat Frank Burkhard gemacht, das Make-Up Gregor Walz. Gegenüber läuft ein Video zum Thema „Künstlergruppen“. In den holperigen Schnittfolgen einer Reality-Soap spielen Schmidt/Weidner „Szenetypen“ und deren „Attached-sein“ in Kunstzusammenhängen durch. Begriffe wie „soziale Kompetenz“ und „Trendbewusstsein“ sind gut verstreut, die Ironie bleibt offen. Noch sind die Eighties nicht verloren.
Ob die Distanz zum Dargestellten als Karikatur funktioniert oder ob nicht alles doch ernst gemeint ist, muss man sich selbst zurechtkonstruieren. Schließlich geht es um die „manipulatorischen Möglichkeiten“ des Mediums, wie es im Pressetext heißt. Wer sich nicht um den doppelten Boden der Medienkritik schert, wird im Stile einer Mitte-Doku mit Statements über Künstlerexistenzen am Rande der Clubkultur unterhalten. Darin unterscheidet sich das Video kaum von Channel-4-Filmen zur young british art. Doch die Selbststilisierung von Schmidt/Weidner bekommt einen allzu gewollten Vorführeffekt: Die pseudo-authentische Offenheit kippt ins banale Spiel mit welken Künstlermythen um. Da hilft kein DJ mehr.
Einen Raum weiter hat sich auch Sabine Groß Gedanken zum Betriebssystem Kunst gemacht. Bei ihr sind es „Artist Tools“, die sie als Hilfsmittel zur Umsetzung von Kreativität in einem Video promotet. Computerslogans schweben vor einem blauen Hintergrund, und aus dem Off erklärt eine Stimme, dass „Wollen und Können“ kein Widerspruch mehr sind, wenn nur die Werkzeuge stimmen. Dazu werden Pappboxen gereicht, die PC-Kurse im Erlernen von „Optimismus“, „Ehrgeiz“ und „Zufall“ anbieten. Der Installation der in München lebenden Konzeptkünstlerin merkt man arg an, wie sehr sie individuelle Strategien gegen das allgegenwärtige System auszuspielen versucht. Vermutlich liegt der Schlüssel zum Künstlerglück im Vertrauen auf die Durchschlagskraft des Visuellen. In einer Welt aus lauter Fakes ist der Irrtum ausgeschlossen. Harald Fricke
Bis 12. Dezember, Mi. – So. 14 – 19 Uhr, Künstlerhaus Bethanien, Mariannenplatz 2
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