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Firmen mit 1.800 Jobs werden verkauft“

■ Jürgen Mahneke, Vorsitzender des Holzmann-Betriebsrats, zur Zukunft des Baukonzerns

taz: Ist bei Ihnen die Freudenparty noch im Gange?

Jürgen Mahneke: Die hatten wir heute Nacht. Jetzt ist es hier ein Irrenhaus, weil alle Welt anruft, Telegramme schickt und gratuliert.

Wie sieht die Zukunft der Beschäftigten aus: Die guten ins Töpfchen, die schlechten ins Kröpfchen?

Der Vorstand hat vorgeschlagen, dass sich Holzmann in Zukunft auf die großen Bauprojekte konzentriert und von den kleinen die Finger lässt.

Große Teile werden abgespalten?

Immerhin wird die Aktiengesellschaft nicht zerschlagen, wie der Insolvenzverwalter das vermutlich gemacht hätte. Holzmann bleibt erhalten, aber wir müssen Tochtergesellschaften verkaufen. Das gesamte Inlandsgeschäft wird neu organisiert.

Wie viele Jobs sind in Gefahr?

Das vom Unternehmensberater Roland Berger vorgestellte Sanierungskonzept sieht vor, Firmen mit rund 1.800 Leuten abzustoßen. Diese Jobs sind dann nicht automatisch weg, sondern gehören zu anderen Unternehmen. Im verbleibenden Teil der Aktiengesellschaft werden möglicherweise noch einmal 3.000 Stellen wegfallen – hoffentlich sozialverträglich, wie man sagt, ohne Kündigungen.

Werden Sie die großen Verlustbringer wie die Köln-Arena abstoßen?

Dazu kann es kommen – auch wenn der Verkaufspreis nochmals rote Zahlen bringen sollte.

Wird die Jobvernichtung nur die Bauarbeiter oder auch das Verwaltungspersonal des Konzerns treffen?

Wir haben eine komplette Führungsebene gestrichen, die für das regionale Geschäft zuständig war. Die Reduzierung von Stellen findet in erster Linie im Planungs- und Verwaltungsbereich statt. Zwei Drittel der Belegschaft sind ja gar keine Bauarbeiter mehr.

Wie sieht die Zukunftsstrategie aus?

Erstens Großprojekte, zweitens mehr Dienstleistung am Bau. Viele Kunden erwarten, dass wir ihr Gebäude nicht nur bauen, sondern dass wir es hinterher auch reinigen und in Stand halten. Holzmann wäscht alle Kleidung der US-Armee in Deutschland, betreibt Krankenhäuser und in den USA auch Gefängnisse. Das Justizministerium in Washington wurde von einer Holzmann-Tochter gebaut und wird von ihr betrieben.

Ihre Aktien sind im Keller. Gefährdet das die Altersversorgung des Personals?

Von den Belegschaftsaktien kann niemand seine Rente bestreiten – dafür wurden zu wenige ausgegeben. Die Besitzer verlieren 8.000 oder 10.000 Mark. Das ist bitter, doch davon hängt die Rente nicht ab. Die zusätzlichen Betriebsrenten sind über den Pensionssicherungs-Verein garantiert und bleiben ungeschmälert.

Sie sitzen seit Jahren im Aufsichtsrat. Wie konnte Ihnen das Ausmaß der Krise verborgen bleiben?

Die Aufsichtsräte der Arbeitnehmer sind nicht automatisch schlauer als die Vertreter der Kapitalseite. Woher soll ein Betriebsrat auch das Fachwissen eines Bankmanagers oder Industriekapitäns nehmen? Außerdem haben wir uns auf die Klarheit und Wahrheit der Vorstände und Wirtschaftsprüfer verlassen.

Sie haben den Zahlen vertraut, die Ihnen vorgelegt wurden?

Wir konnten nur Stichproben machen. Für die Gesamtbilanz eines Weltkonzerns, der am Jahresende mehr als 300 Gesellschaften zusammenfasst, müssen wir uns auf die Fachleute verlassen.

Kamen Verlustfälle wie die Köln-Arena nicht im Aufsichtsrat zur Sprache?

In diesem Fall ging es darum, wie man die Zukunft einschätzt. Dazu kann man sehr optimistische oder eher pessimistische Ansichten haben. Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG stützte damals die scheinbar plausiblen Zahlen des Vorstandes. Interview: Hannes Koch

Siehe Porträt unten

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