Schluck es runter

■ Graf Pornow von der Ska-Band Blascore gesteht: „Ich werde penetrant weitermachen“

Zugegeben: Sitzt man Pornow Weniziano gegenüber, kann man sich nur schwer vorstellen, wie ein so netter und ausgeglichener Mensch auf einen solch infantilen Künstlernamen kommen kann.

So geht es auch einem Teil der Ska-Gemeinde mit der Musik der Band von Herrn Weniziano: Sie finden sie kindisch. Der Grund: Blascore spielen zwar Ska, aber covern nicht die jamaikanischen Originale, sondern DDR-Hinterlassenschaften. Traditionell veranlagte Filzhütchenträger verknusen es nur schwer, dass zu den Eckpfeilern des Programms von Blascore „Ja, der Fußball ist rund wie die Welt“ von Frank Schöbel, Nina Hagens „Du hast den Farbfilm vergessen“ oder die Erkennungsmelodie von „Polizeiruf 110“ gehört

„Die Puristen gibt es“, hat Weniziano festgestellt, aber „mir ist das egal, ich werde das penetrant weitermachen, auch wenn Leute sagen, dass deutscher Ska hassenswert ist“. Nachdem der allgemeine Trend zur Muttersprache lange an der hiesigen Ska-Szene vorbeiging, wagte sich in den letzten Jahren manche Band an deutsche Texte, dokumentiert auf der Compilation „Deutschstunde“.

Davon haben auch Blascore profitiert, inzwischen ist man „akzeptiert in der Ska-Welt“. Auch wenn der Sound ein grundsätzlich anderer ist: „Die Harmonien kommen eher vom Schlager, was natürlich anders als klassische Ska-Harmonien klingt.“ Ein Schöbel-Song wie „Komm wir malen eine Sonne“ bleibt auch im Off-Beat ein Schöbel-Song. Aber Blascore wollen auch nicht auf die DDR-Institution verzichten. Dass Schöbel mehrfach in ihrem Repertoire vertreten ist, hat natürlich seine Gründe: „Der ist sehr bekannt und hat doch hübsche Liedchen gebastelt.“

Die Idee, Ostschlager aufzubereiten, kam Weniziano und einigen Freunden bereits vor zehn Jahren. Bereitwillig gibt er zu, dass zur Motivation auch „ein Stück Vergangenheitsbewältigung“ gehört, schließlich sei man „von den Eltern mit diesen Liedern genervt worden“. Ostalgie allerdings weist er weit von sich: „Man kann doch die alte Zeit feiern und gerade, dass sie vorbei ist.“

Dass weder Weniziano noch seine Kollegen vor der Wende eine Ahnung davon hatten, was Ska überhaupt ist, war kein Hindernis: „Zu DDR-Zeiten kannte man doch bestenfalls Reggae.“ Gut die Hälfte der im Übungsraum ausprobierten Songs funktionierte allerdings nicht, wenn sie auf der zwei und der vier betont wurden, der Rest aber, „der rollte“.

Ganz allein auf die Mitgröhlqualitäten und den Erinnerungswert der real existierenden Klassiker wollen sich Blascore allerdings nicht verlassen: Bevor die 60/40-Party im Offbeat losgehen kann, zieht sich Graf Pornow möglichst bunte Anzüge an, packt sich ein gemeingefährliches Brillengestell auf die Nase und befestigt einen dünnen Zopf auf seiner Halbglatze: „Die meisten versuchen sich hübsch zu machen für die Bühne“, sagt Weniziano. Und meint: Er nicht.

So wandert er auf der Bühne auf einem schmalen Grat: Er kehrt den Komiker heraus, will aber trotzdem als Musiker wahrgenommen werden. Und tatsächlich spielen Blascore trotz allem Klamauk auch feinen Ska. Dafür garantiert nicht zuletzt die Bläsersektion, die man fast komplett von Michele Baresi übernommen hat, nachdem die sich aufgelöst hatten.

„Mit Guildo Horn und Dieter Thomas Kuhn aber“, glaubt Weniziano, „verbindet uns gar nichts“. Vielleicht hofft er es auch nur. Doch da Ska noch immer ein Minderheitenthema ist und Blascore fast nur für ein klassisches Ska-Publikum spielen, blieb ihnen bislang auch eine Karriere wie die der La Palöma Boys erspart. Weniziano fände es allerdings trotzdem okay, „wenn uns mal drei, vier Leute mehr kennen würden.“

Thomas Winkler

Blascore: „Blascore“ (Pork Pie/Vielklang/EFA), live heute ab 21 Uhr in der Wabe, Danzigerstr. 101, Prenzlauer Berg