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Keine Angst vorm Fliegen!

■  Interview mit Bundesverkehrsminister Klimmt zur Saarbahn, zur Bahn im Allgemeinen, zum innerdeutschen Luftverkehr und warum er den saarländischen WählerInnen nur dankbar sein kann

taz: Herr Klimmt, wann sind Sie das letzte Mal mit der Bahn gefahren ?

Reinhard Klimmt: Das ist, glaube ich, drei Wochen her. Mit der Saarbahn, das ist eine Nahverkehrsbahn, die hat bei uns den Busverkehr ersetzt.

Was haben Sie für Erfahrungen gemacht?

Ich bin zufrieden. Ich benutzte die Bahn als ergänzendes Verkehrsmittel. Eine Strecke, auf der ich sie häufig nutze, ist die Strecke Saarbrücken – München. Da ist die Bahn dem Auto und auch dem Flugzeug überlegen. Zwischen Berlin und Saarbrücken fliege ich dagegen lieber.

Zusammen mit dem künftigen Bahnchef Mehdorn können sie als neues Team eine bessere Bahnpolitik machen. Sie können sich zusammen als die großen Sanierer der Bahn präsentieren – haben Sie da schon Ideen?

Sanierer der Bahn kann höchstens Herr Mehdorn sein, weil die Bahn bewusst privatisiert wurde, damit sie in eigener Verantwortung die Weiterentwicklung vorantreibt und, wie wir hoffen, 2003 börsenfähig ist. Selbstverständlich haben wir Verantwortung, das schließt aber das gesamte operative Geschäft aus.

Aber sie setzen als Verkehrsminister Rahmenbedingungen. Zum Beispiel bei den Trassenpreisen für die Nutzung der Gleise. Sehen Sie Möglichkeiten, durch Senkung dieser Preise die Bahn attraktiver zu machen?

In welcher Art wir die Trassenpreise berechnen, wird uns noch länger beschäftigen. Mir ist wichtig, dass wir zu fairem Wettbewerb kommen. Das heißt, wir müssen die Regelung überdenken, dass nicht mehr nur die Bahngesellschaft DB Cargo zu günstigen Konditionen Gütertransporte abwickeln kann.

Im Koalitionsvertrag ist von der Gleichberechtigung von Schiene und Straße die Rede. Dennoch ist die Nutzung der Straßen für die Autofahrer kostenlos, für die Nutzung der Schienen müssen die Bahngesellschaften an die DB Netz zahlen. Halten Sie das für „gleichberechtigt“ ?

Wir stellen der Bahn die Trassen zur Verfügung. Da machen wir keinen Unterschied zur Straße.

Sie werden 2002 eine Abgabe für den Schwerlastverkehr einführen. Die Schweiz macht das auch und wird zwei Drittel davon in die Bahn stecken. Was wird hier mit dem Geld passieren?

Wir könnten sehr viel mehr Geld in die Infrastruktur stecken. Eine Möglichkeit, solche Mittel zu mobilisieren, ist die Schwerverkehrsabgabe. Ich hätte gerne, dass wir dieses Geld obendrauf auf die Verkehrsinvestitionen packen, für Straße, Schiene und Wasserstraße.

Wie hoch wird die Schwerverkehrsabgabe je Tonnenkilometer sein?

(Klimmt lacht): Sie wird auf vernünftigem Niveau liegen.

Bei den Steuern wird der Autoverkehr gegenüber der Bahn bevorzugt – bei der Kilometerpauschale. Wer Auto fährt, kann mehr Ausgaben absetzen als Bahnfahrer. Es steht im Koalitionsvertrag, dass dieser Missstand mit einer Entfernungspauschale beendet wird.

Die Entfernungspauschale ist ein Bestandteil der Programmatik beider Regierungsparteien. Ich halte das für vernünftig, aber es ist im Moment nicht Gegenstand der Regierungspolitik.

Das Projekt „Städte der Zukunft“ wird von Ihrem Ministerium finanziert. Dessau ist eine der teilnehmenden Städte. Dort ist der Autoverkehr in den vergangenen Jahren massiv gestiegen – wie kann man dem entgegenwirken?

Man darf nicht die enorme Bedeutung des Autos verkennen. Es hat etwas mit Selbstbewusstsein und individueller Freiheit zu tun. Klar ist aber auch, dass man nicht die Städte autogerecht machen kann. Ich kenne Seattle, diese Stadt ist malträtiert durch den Versuch, sie autogerecht zu machen – es ist eine Stadt, deren Humanität extrem gelitten hat.

Eine Alternative ist auch gerade in den Städten das Fahrrad. Was halten Sie von einem Bundesförderprogramm ?

Das liegt in erster Linie in der Verantwortung der Städte und Länder.

Aber der Bund kann gezielt Mittel dafür bereit stellen.

Dem Bund hier eine zusätzliche Aufgabe anzulasten, ist finanziell nicht verkraftbar.

Warum holt man sich das Geld nicht über Straßenbenutzungsgebühren, wie sie andere Länder erheben?

Das ist nicht unser System. Bei uns gibt es Straßenbenutzungsgebühren für Pkw nur an Brücken, Tunnels und Pässen. Anderes könnte gar nicht praktikabel umgesetzt werden.

Stichwort „Transrapid“: Wann fällt die Entscheidung ?

Wir wollen bis Weihnachten durch sein.

Wenn Sie persönlich entscheiden könnten, was würden Sie tun?

Das muss ich zum Glück nicht und sage daher nichts.

Die Bahn bezahlt 16 Prozent Mehrwertsteuer und Mineralölsteuer. Beides entfällt im grenzüberschreitenden Flugverkehr. Halten Sie das für sinnvoll?

Wir arbeiten daran. Die Einzelinteressen der Länder erschweren aber den gemeinsamen Weg.

Was ist ihr wichtigstens Projekt für diese Legislaturperiode?

Ich möchte, dass die Bahn ihre Rolle als echte Alternative wahrnehmen kann, nicht nur in Teilbereichen, wie das zurzeit der Fall ist. Da müssen wir die Reform der Bahnstruktur voanbringen und aus dem Bundeshaushalt ausreichende Mittel bereit stellen. Ganz wichtig ist da auch die europäische Zusammenarbeit. Außerdem will ich die Telematik voranbringen und die Verkehrssicherheit verbessern. Da ist noch viel zu tun.

Aber Sie sind gegen das Tempolimit ?

Wir wollen die Selbtverantwortlichkeit der Fahrer stützen. Außerdem halte ich starre Tempolimits nicht für sinnvoll, ich glaube, dass die Telematik uns in Zukunft sehr helfen wird, einen situationsangepassten Verkehrsfluss zu ermöglichen.

Was wäre ihr Traumposten als Minister?

(Klimmt lacht): Verkehrs- und Bauminister.

Interview: Katharina

Koufen, Bernward Janzing

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