: ETA beendet einseitigen Waffenstillstand
Die baskische Separatistenorganisation macht die spanische Regierung und gemäßigte Basken für ihre Kehrtwendung verantwortlich. Politiker attestieren der ETA „Realitätsverlust“ ■ Aus Madrid Reiner Wandler
Die Waffen haben wieder das Wort. Nach 14 Monaten hat die baskische Separatistengruppe ETA gestern den einseitigen Waffenstillstand – den längsten ihrer 40-jährigen Geschichte – für beendet erklärt. „Ab 3. Dezember wird ETA die Kommandos wissen lassen, wann sie mit Operationen beginnen sollen“, heißt es in einem vierseitigen Kommunikee. Schuld an diesem schwerwiegenden Schritt sei die starre Haltung der Regierungen in Madrid und Paris und die Untätigkeit der gemäßigten baskischen Nationalisten.
Die konservative, spanische Regierung von José Maria Aznar habe durch ihr „Festhalten an Unterdrückung und Repression“ den Friedensprozess zum Erliegen gebracht. Die Kontakte zwischen Regierung und ETA waren bereits im Sommer gescheitert, nachdem Madrid die Inhalte erster Gespräche an die Presse weitergab. Die spanischen und französischen Ermittlungsbehörden reagierten mit einer Welle von Festnahmen. Zuletzt verhaftete die französische Polizei die Unterhändlerin beim einzigen Treffen zwischen ETA und spanischer Regierung vergangenen Mai in der Schweiz.
Die ETA beendet auch den Flirt mit der gemäßigten Baskischen Nationalistischen Partei (PNV) und der Baskischen Solidarität (EA). Die in der spanischen Nordregion regierenden Parteien hätten den mit ETA vereinbarten „Aufbau souveräner Institutionen für das gesamte Baskenland“ nicht vorangetrieben. Außerdem hätten PNV und EA nicht, wie von ETA vorgeschlagen, Parlamentswahlen für das gesamte baskische Gebiet – einschließlich Frankreich – vorbereitet. „In diesem Kontext hätte ETA die Waffen endgültig niedergelegt“, heißt es im Kommunikee.
Die Aufkündigung des Waffenstillstandes dürfte zudem die wenigen gemeinsamen Initiativen aller baskischen Nationalisten gefährden. So ist ungewiss, was aus dem „Bündnis von Lizarra“ wird, in dem sich 23 Parteien, Gewerkschaften und gesellschaftliche Gruppierungen aus dem Baskenland zusammenfanden, um „eine politische Lösung für die Krise zu finden“. Das gleiche gilt für die „Versammlung der Gemeinden“, in der seit vergangenem Winter baskische Kommunalpolitiker einen gemeinsamen Weg hin zu mehr Unabhängigkeit suchen.
„ETA befindet sich außerhalb der Realität“, erklärte gestern der baskische Regierungschef Juan José Ibarretxe (PNV), der die Existenz eines Geheimabkommens mit ETA immer geleugnet hatte. Er forderte die baskischen und spanischen Politiker auf, sich nicht zu zerstreiten und „nach Schuldigen zu suchen“, denn „die Hauptverantwortung liegt bei denen, die zu den bewaffneten Aktionen zurückkehren“. Er selbst werde sofort „diskreten Kontakt“ mit allen Seiten aufnehmen, um den Bruch des Waffenstillstandes zu überwinden. Spaniens Regierungschef Aznar trat nach einer Krisensitzung mit Innenminister Jaime Mayor Oreja und ersten telefonischen Kontakten mit den Vorsitzenden der wichtigsten Parteien des Landes sichtlich bewegt vor die Presse. „Die Regierung tat, tut und wird alles nur Mögliche tun, um einen Weg zum endgültigen Frieden zu finden“, wies er einmal mehr alle Schuld am Scheitern des Friedensprozesses weit von sich. Vor allem der baskischen Regierung hatte Aznar in den letzten Monaten „eine Hinhalte und Verzögerungstaktik“ vorgeworfen. „ETA täuscht sich einmal mehr“, sagte Aznar. „Letztendlich wird der Friedenswille aller Spanier siegen.“
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