: Kohl sieht alt aus
■ Die schwarzen Konten der CDU: Parteifreunde wenden sich vom ehemaligen Bundeskanzler ab. Kiep: „Ich könnte belegen, dass Kohl an der Herkunft weit geringerer Beträge als einer Million interessiert war“
Berlin (taz) – Das zwielichtige „System Kohl“, mit dessen Hilfe der Parteipatriarch die CDU ein Vierteljahrhundert lang beherrschte, ist öffentlich geworden – und das Entsetzen in den Reihen der CDU ist groß. Inzwischen glaubt niemand mehr den Beteuerungen des Altbundeskanzlers, er habe von illegalen Parteispenden des Waffenhändlers Schreiber und von schwarzen Parteikonten nichts gewusst. In der Bild am Sonntag schreibt Kohl, er kenne Schreiber „im eigentlichen Sinne nicht“. Es sei aber möglich, dass er ihm schon einmal begegnet sei.
Der ehemalige CDU-Schatzmeister Walther Leisler Kiep sagte der Zeitung: „Ich könnte belegen, dass der damalige CDU-Vorsitzende an der Herkunft weit geringerer Beträge als einer Million Mark sehr interessiert war.“ Zuvor hatte er bestätigt, dass Schreiber in seinem Beisein dem CDU-Steuerberater Weyrauch eine Million Mark in einem Koffer übergeben hatte. Das Geld ist nie auf einem offiziellen CDU-Konto aufgetaucht. Möglicherweise handelte es sich um Schmiergeld dafür, dass die damalige Bundesregierung Panzerlieferungen nach Saudi-Arabien zustimmte.
Heiner Geißler, CDU-Generalsekretär von 1977 bis 1989, belastet seinen ehemaligen Chef schwer: Er glaube nicht, „dass es große Finanzvorgänge gab, von denen der Parteivorsitzende nichts gewusst hat“. Er bestätigte, dass es bei der CDU schwarze Konten gegeben habe.
Kohls Vertraute rücken inzwischen Stück für Stück von ihm ab. Generalsekretärin Angela Merkel, die ihn bisher vorbehaltlos verteidigte, sagt inzwischen: „Wenn Dinge passiert sind, die nicht rechtmäßig waren, muss dafür auch die politische Verantwortung übernommen werden.“ Auch Kohls Ziehsohn, dem CDU Spitzenkandidaten in Schleswig-Holstein, Volker Rühe, ist inzwischen mulmig geworden: „Ich habe nichts zu verbergen und ich bin im Fall Kiep für eine umfassende und schnelle Aufklärung“, sagte er der Welt am Sonntag. Rühe, der Heiner Geißler als Generalsekretär beerbte, besteht noch immer darauf, „von schwarzen Konten keine Kenntnis“ gehabt zu haben. Er verlangte, dass die Spendenaffäre bis Weihnachten aufgeklärt sein müsse: „Die CDU muss das selbst aufklären und deshalb Dampf machen.“
Geißlers Vorgänger, der heutige sächsische Ministerpräsident Kurt Biedenkopf, nutzte die Gelegenheit, seinen Widersacher Kohl zu ärgern. Er forderte eine Aufklärung der Affäre „ohne Ansehen der Person“, will sagen, „ohne Rücksicht auf Kohl“. Auch der niedersächsische CDU-Vorsitzende Christian Wulff aus der Riege der jüngeren Christdemokraten verlangte „politische Konsequenzen“, falls es stimme, dass es geheime Konten gegeben habe. Es sei „nicht hinzunehmen“, dass „alle Beteiligten bis auf den Bundesschatzmeister“ von den bekannt gewordenen Dingen sagen, „dass sie davon erst jetzt erfahren“. Sie seien zumindest politisch für die damalige Zeit verantwortlich. Der Bundestag überprüft einen möglichen Verstoß gegen das Parteiengesetz. Der Union drohten Strafgelder, die für sie den „Ruin“ bedeuten könnten, sagte der Vorsitzende des Innenausschusses, Willfried Penner (SPD). Tina Stadlmayer
Bericht Seite 6
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen