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I don't need no ammunition    ■ Von Stefan Gärtner

Erinnerung, sprich: Da war Sommernacht. Das treibende Lärmen der lärmend Getriebenen, das Reiben der Verhärmten und das und das trübe Treiben der Wirtin, die sich eifernd der Einsicht verschloss, dass man lallend lakrimosen Lokalbesuchern die letzte Runde niemals verweigert, weil das schlecht ist für deren geistig-moralische Gesundheit wie fürs Kneipensaldo ja auch; denn nicht rauben darf man ihnen die letzte Heimat, sie nicht jaulend jagen in die juvenile Nacht, sie nicht lassen ohne Trunk und Trost; arme Verlorne, tranken wir, Wirtin, dein ranziges Bier, fraßen die Pommes für sieben Mark achtzig –

Unbehauste Sommernacht in einer Stadt ohne Nachtlizenz. Existenzielle Not, notwendig nutzlose Existenz, krähendes Unglück und schimmernde Trübsal, letzte Lösung: weg von hier. Nimm das Fahrrad und entschwinde! Fahre zu, mein Held, und finde: was auch immer, keinen Schimmer, bloß nicht wieder Morrissey –

Rauschend die Nacht und sinnlos der Weg, zu viel November mitten im Juli. Kreisend? Pedale und Hände am Lenker, mürbe berauscht und stetig gradaus; rechts die Bäume, links die Bäume, oben Himmel, hinten Träume. Der Junge mit dem Dorn im Arsche. Ärger liebt dich, Ladendieb! Jemine, es fährt sich leicht –

Voran voran, die Pferde krähen! Oder blöken, nein halt: wiehern, ziehen zügig dich voran, fort von Gärten und Balkonen, trümmersattes Nirgendwo ... trübes Treten, stilles Beten, maladjusted Eichen-dorff: Augen zu und frisch gradaus!

Nächtens muss der Mensch nicht sehen. Schlafen soll er oder trinken oder Richtung Liebe sinken! Geht das nicht, dann Fahrrad fahren, vorzugsweise sturzbesoffen. Letzter Thrill im müden Leben: velozipedales Streben. Also: Zähl, mein Held, die Augenblicke, die, vom Auge unbewacht, du in dieser prächt'gen Nacht mit dem Fahrrad fahren kannst: Schaffst du zwei, fünf, zehn Sekunden? Blind gradaus, ohne zu schauen? Oder wird dich Gott der Herre furchtbar von der Mühle hauen? (Weil in solchen dummen Nächten hilfsbereite Damen fehlen, die dich gern ins Bette brächten, muss man so was schon mal wagen.)

Erster Anlauf: vier Sekunden! Gar nicht schlecht für Schicksalsjünger, ohne gucken: ungelogen! Stur gradaus ohne zu linsen. Zweiter Anlauf: na gut, sieben; schon viel besser, noch nicht alles.

Wer viel raucht, der darf riskieren. Zehn Sekunden müssen sein; Augen zu und gradeaus. Also noch mal; letztes Wagen. Schwüler Wind weht um den Kragen, beide Hände fest am Lenker, links sind Bäume, rechts sind Bäume, stur hinfort und keinen Schlenker; sechs Sekunden sehr successful! Ach, so könnt' es weitergehn – –

selig blind durchs Leben gondeln, scher dich nicht, was rechts, was links! Sieben, acht, gleich ist's vollbracht, alle zehne, volle Kanne – – –

neuneinhalb, Herr Doktor Specht, sind doch wirklich auch nicht schlecht. Besser Baum als Betonpfeiler. Nüchtern hätt's wohl wehgetan: rummsdibumms und Rippenprellung, Knie verschürft und leichte Schwellung. Fahrrad Schrott und viel gelernt; Reue ist das falsche Wort. In solchen Nächten sollst du lieben! Oder gegen Bäume schieben. Jawohl.

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