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Was ein Serbe für sein Land tut

■ Serbische Volleyballer reden nur über das EM-Halbfinale

Piräus (taz) – Es fällt schwer, diesen Volleyballern unbefangen gegenüberzutreten. Irgendwie ist man immer auf Spurensuche: Wo finden sich Zeichen des Leids im Krieg? Gibt es nicht überall traurige Augen und Menschen, denen man ansieht, wie zerbrochen sie sind? Beim Trainer der Volleyballmannschaft Restjugoslawiens hat der furchtbare Krieg nichts hinterlassen, was man sehen könnte. Zoran Gajics Augen funkeln hinter dicken Brillengläsern, ein schwarzer Bart umrahmt kurzgetrimmt das Gesicht. Ein bißchen sieht er aus wie der italienische Philosoph Umberto Eco, und ein Gelehrter ist Zoran Gajic auch. Früher war er Professor für Volleyball in Novi Sad.

Dann kam der Krieg, und bald durfte seine Mannschaft – die meisten sind Serben – nicht mehr bei den Turnieren mitspielen. „Sie haben einem, der Volleyball liebt, das Leben geraubt“, sagt Gajic, der nach Griechenland wechselte, um weiterzuarbeiten: zu Aris Saloniki. Die Spieler sind ihm gefolgt, zwei nach Griechenland, vier nach Italien, aber in die Auswahl sind alle zurückgekommen, als die wieder mitmachen durfte, bei dieser EM das erste Mal. Gajic hat sich freistellen lassen in Saloniki und mit der Auswahl hart trainiert, ein halbes Jahr lang, mal in Belgrad, mal draußen im Gebirge, und alles ohne Bezahlung. „Was ein Serbe für sein Land tut“, sagt er, „tut er ohne Geld, freiwillig. Das ist ganz normal.“

Was ist ganz normal? Es ist Krieg in der Heimat, während die restjugoslawische Mannschaft für das entscheidende Vorrundenspiel gegen Deutschland übte (und später 3:0 gewann), flogen deutsche Tornados im Nato-Auftrag über die Schlachtfelder. Kann man da Volleyball spielen? „Sportler sind Sportler“, sagt Gajic, was in erster Linie heißen soll: Sportler sind keine Politiker. Aber ihr Land vertreten sie doch, und so versucht sich der Coach an Imagepflege. Sagt, daß er alle Menschen liebt, „insbesondere die Volleyballer“. Bezeichnet die Berichterstattung in der griechischen Presse als „unfair und primitiv“, und als er merkt, daß bei den Zuhörern einige zu grummeln anfangen, weil ausgerechnet er, ein Serbe, sich anmaßt, über die Fairneß anderer zu urteilen, hebt Gajic den Zeigefinger und schüttelt den Kopf:„Ich bin kein Tschetnik“, sagt Zoran Gajic.

Nach dem Deutschland-Spiel hat Gajic seinen Volleyballer Slobodan Kovac mit in die Pressekonferenz gebracht. Der Spieltag war Slobodans Geburtstag, der 28ste. Wenn er sich was wünschen dürfte? Nochmal eine tolle Leistung im Halbfinale gegen Italien, das sei jetzt sein größter Wunsch, hat Slobodan Kovac gesagt. Über den Krieg zu Hause sagte er nichts. Holger Gertz

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