: Cohen will Geld für Bundeswehr
In ihrer Kritik am gekürzten Militärhaushalt finden die Bundeswehroffiziere im amerikanischen Verteidigungsminister einen Verbündeten ■ Aus Hamburg Patrik Schwarz
Die beiden Offiziere haben den Zivilisten in ihrer Mitte sichtlich in Bedrängnis gebracht. Der Ministerialbeamte war so leichtsinnig gewesen, seinen Zufallsbekanntschaften am Bistrotisch in der Kaffeepause zu gestehen, er sei zuständig für Haushaltsfragen. Jetzt bestürmen ihn die Offiziere, Teilnehmer der 37. Kommandeurstagung der Bundeswehr in Hamburg. Haushaltsfragen? Gehört er etwa zu jenen Schreibtischrechnern im Finanzministerium, die der Armee die Mittel streichen? Die immer neue Einsparungen fordern, wo der Truppe längst das Material ausgeht? Nein, er sei einer der ihren, ruft er fast schon verzweifelt. Er gehöre zum Verteidigungsministerium. Wer in Verdacht gerät, Söldner von Finanzminister Hans Eichel zu sein, hat es nicht einfach auf dem Treffen der 450 höchsten Bundeswehrkommandeure. Weit mehr als das offizielle Thema der Tagung, eine Bilanz der Bundeswehreinsätze auf dem Balkan, beschäftigt die Generäle, Admirale und Obristen das Sparpaket der Bundesregierung. Die Streitkräfte würden „kaputt gespart“, warnte Oberst Bernhard Gertz, der Vorsitzende des Bundeswehrverbandes. Eichel plant Kürzungen von 18,6 Milliarden Mark bis zum Jahr 2003. Die Kommandeurtagung ist für die Bundeswehroffiziere, die ansonsten gehalten sind, sich aus politischen Diskussionen tunlichst herauszuhalten, immer auch eine Gelegenheit zum Lobbyismus in eigener Sache.
In ihrem Gefecht gegen die Sparzwänge erhielten sie am gestrigen letzten Tag der dreitägigen Begegnung unerwartet deutlich Zuspruch von einem mächtigen Verbündeten. US-Verteidigungsminister William Cohen, der sich laut Tagungsprogramm auf einige wenige Worte hatte beschränken sollen, stimmte laut in den Klagechorus über die angeblich unzureichende Ausstattung der Armee ein. Im US-Senat gebe es deutliche Kritik an den Kürzungen im deutschen Militärhaushalt. Verteidigungsausgaben von weniger als zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts seien zu wenig, um die Militärtechnologie auf den neusten Stand zu bringen. Bei den Rüstungsausgaben liege Deutschland inzwischen im unteren Drittel in der Nato.
Mit seinem Statement riskiert Cohen einen offenen Konflikt mit der Bundesregierung. Kanzler Schröder hatte den Kommandeuren noch am Montag erklärt: „Ein Vergleich der Verteidigungsausgaben als einziger Maßstab dafür, was ein Staat für die Sicherheitsvorsorge ausgibt, greift viel zu kurz.“ Die Bundesrepublik habe hohe Ausgaben für die Integration der NVA gehabt, sie habe den Abzug der russischen Truppen finanzieren müssen und beteilige sich jetzt am Balkan-Stabilitätspakt.
Cohens harte Linie brachte vor allem Verteidigungsminister Rudolf Scharping in die Bredouille. Sorgsam hatte er in seiner Rede versucht, eine Balance zu halten. Die Soldaten wollte er seine Sorge um die schlechte Ausstattung der Bundeswehr spüren lassen, den Kanzler seine Loyalität zum Sparpaket. Als Cohen ihn schließlich ermunterte, sich weiter für die nötigen Haushaltsmittel einzusetzen, rettete Scharping sich in einen Scherz: Ihm sei jede Unterstützung willkommen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen